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15.02.2019 19:01 Alter: 5 yrs
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, GKV-Szene, Praxisfinanzen, Praxismanagement

„Ein-Prozent-Regel führt nicht zu Honorarkürzungen“

Dr. Wolfgang Eßer präzisiert Abrechnung von Kompositfüllungen bei Kindern / BZB-Interview


 

Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt (BZB), Ausgabe vom 15. Februar 2019, Genehmigung zum Nachdruck liegt vor.

 

 

Die Abrechnungspositionen 13 e – h für Kompositfüllungen bei Kindern, Schwangeren und Stillenden sorgten für einige Nachfragen bei den bayerischen Zahnärzten. Wir sprachen mit Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der Bundes-KZV, darüber, wie die Bestimmungen anzuwenden sind.

 

BZB: Seit Juli 2018 gelten im Bereich der Füllungstherapie neue Regelungen für gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten. Was ist der Hintergrund dieser Vorgaben und haben diese zu einem Anstieg bestimmter Leistungen geführt?

 

Eßer: Aufgrund der EU-Quecksilberverordnung darf seit 1. Juli Zahnamalgam nicht mehr für zahnärztliche Behandlungen von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren und von schwangeren oder stillenden Patientinnen verwendet werden. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Zahnärztin oder der Zahnarzt eine Behandlung mit Amalgam aufgrund ganz bestimmter medizinischer Erfordernisse für zwingend notwendig hält. Diese Vorgabe der Europäischen Union musste in Deutschland rechtsverbindlich und fristgebunden umgesetzt werden.

 

Seitdem muss für die Behandlung der genannten Patientengruppen nach der EU-Verordnung regelmäßig ein alternatives plastisches Füllungsmaterial gewählt werden, das dauerhaft haltbar und erprobt ist und dem Stand der Wissenschaft entspricht. Als zuzahlungsfreie Leistung der GKV stehen daher seit Juli im Bereich der Seitenzähne für betroffene Patienten auch Füllungen aus Komposit zur Verfügung, die bis dahin auf Behandlungsfälle beschränkt waren, bei denen eine Amalgam-Allergie festgestellt wurde oder bei denen Patienten an einer schweren Niereninsuffizienz litten.

 

Grundsätzlich können Patienten und Zahnärzte bei Zahnfüllungen jedoch – wie bereits zuvor – zwischen allen Materialien wählen, die in der zahnmedizinischen Versorgung anerkannt und erprobt sind. Dabei besteht auch die bisherige Mehrkostenregelung grundsätzlich fort. Der KZBV ist es in erfolgreichen Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband gelungen, für die EU-Vorgaben eine praxisnahe Regelung für Zahnärzte und Patienten zu gestalten. Insbesondere im Interesse des Berufsstandes konnten wir im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema) die Position 13h mit einer Honorierung von 100 Punkten durchsetzen. Wie häufig Kompositfüllungen jetzt seit dem 1. Juli verwendet wurden, lässt sich derzeit noch nicht genau beziffern. Aufgrund des vergleichsweise kurzen Zeitraums seit Inkrafttreten der Neuregelung liegen dazu für das Bundesgebiet bislang noch keine belastbaren Daten vor.

 

BZB: Wer gilt im Sinne des Gesetzes als Kind?

 

Eßer: „Kinder“ im Sinne der EU-Verordnung sind Patientinnen und Patienten, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die seit dem 1. Juli eingeschränkte Verwendung von Dentalamalgam sieht nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung konkret vor, dass Amalgam grundsätzlich nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Kindern unter 15 Jahren verwendet werden darf.

 

BZB: Können weiterhin Mehrkostenvereinbarungen abgeschlossen werden?

 

Eßer: Hinsichtlich der Wahl des richtigen Füllungsmaterials und der korrekten Abrechnung der erbrachten Füllungstherapie hat sich im Grunde nichts geändert. Die Krankenkassen sind jedoch seit dem 1. Juli gegenüber den Versicherten, auf die die EU-Verordnung explizit abstellt, in der Pflicht, für die Kosten einer Kompositfüllung im Seitenzahnbereich aufzukommen, wenn eine solche Versorgung angezeigt ist. Mit anderen Worten: Der Kreis der anspruchsberechtigten GKV-Versicherten ist auf Grundlage der Verordnung erweitert worden. Ist die Kompositfüllung im jeweiligen Behandlungsfall das Mittel der Wahl, dann ist eine Zuzahlung durch den Versicherten ausgeschlossen. Entscheidet sich der Versicherte jedoch – nach umfassender Aufklärung durch die Zahnärztin oder den Zahnarzt – für eine andere Versorgung oder aus ästhetischen Gründen für eine besonders aufwendige Ausführung der Füllung, dann muss die Patientin oder der Patient dabei entstehende Mehrkosten selbst tragen.

 

BZB: Unter welchen Voraussetzungen sind Kompositfüllungen bei Milchzähnen indiziert?

 

Eßer: Zunächst möchte ich betonen, dass die Frage der Indikationsstellung immer nur im konkreten Einzelfall sachgerecht beantwortet werden kann. Aber auch bei einer Füllungstherapie für Milchzähne gilt natürlich, dass im Regelfall ausschließlich zahnmedizinisch erprobte und haltbare Materialien verwendet werden dürfen. Die behandelnde Zahnärztin oder der behandelnde Zahnarzt entscheidet zunächst anhand der zahnmedizinischen Gegebenheiten des jeweiligen Patienten und unter Beachtung des gesetzlichen Wirtschaftlichkeitsgebots, ob eine Kompositfüllung geeignet ist. Im Abgleich mit möglichen Alternativen spielen insbesondere die Kooperationsfähigkeit des Versicherten und die voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Versorgung im Hinblick auf den anstehenden Zahnwechsel eine wichtige Rolle.

 

BZB: Laut einer Protokollnotiz zwischen KZBV und GKV-Spitzenverband sollen Füllungen im Seitenzahnbereich, die nach den Bema-Positionen 13 e – h abgerechnet werden, nicht mehr als ein Prozent der Gesamtzahl aller Füllungen ausmachen. Sind etwa Honorarkürzungen zu befürchten, wenn diese Zahl überschritten wird?

 

Eßer: Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Protokollnotiz führt ausdrücklich nicht dazu, dass Zahnärztinnen und Zahnärzten das Honorar gekürzt werden kann. Wir reden in diesem Zusammenhang lediglich über eine Evaluierung des bundesweiten Leistungsgeschehens – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Die angesprochene Protokollnotiz stammt aus der Zeit, als Kompositfüllungen in den Bema aufgenommen wurden. Der Bewertungsausschuss wollte die Entwicklung in diesem Bereich zunächst beobachten und – falls dazu Veranlassung bestehen sollte – die getroffenen Bestimmungen bei Bedarf überprüfen. Anlass zu einer Überprüfung sollte aus damaliger Sicht grundsätzlich dann bestehen, wenn Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich wesentlich mehr als ein Prozent aller Füllungen ausmachen. Die Protokollnotiz ist vom Bewertungsausschuss im Zuge der zum 1. Juli vorgenommenen Änderungen vorerst nicht angepasst worden, um zunächst Erkenntnisse über die Auswirkungen der Neuregelung zu gewinnen. Damit kann im Nachgang entschieden werden, ob insoweit überhaupt Änderungen erforderlich werden. Stand heute gilt nach wie vor die Ziffer 2 der Protokollnotiz, wonach eine wesentliche Überschreitung zur Folge hat, dass KZBV und GKV-Spitzenverband als Verhandlungspartner auf Bundesebene über eine erneute Überprüfung beraten.

 

BZB: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Die Fragen stellte Leo Hofmeier.

 

Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt (BZB), Ausgabe vom 15. Februar 2019, Genehmigung zum Nachdruck liegt vor.