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03.04.2018 08:01 Alter: 6 yrs
Kategorie: Kommentare, GKV-Szene, Berufspolitik, Gesundheitspolitik

Kommentar: „Tunnelblick“

Politische Routine trifft auf Wirklichkeit


Kommentar von Dr. Michael Loewener, Zahnärzte für Niedersachsen e.V. (ZfN)

 

„Zweiklassenmedizin“ und „Wartezeiten in Arztpraxen“ sind die Begriffe, die aktuell Politiker aller Couleur zu eruptiven Gedankensprüngen inspirieren. Gleich nach Amtsantritt fühlt sich der neue Gesundheitsminister Jens Spahn berufen, Lösungsansätze vorzustellen, die sich bei näherer Betrachtung als heiße Luft erweisen. Er fordert die Ausweitung der Sprechstunden für „Kassenpatienten“ von 20 auf 25 Stunden je Woche und mutmaßt: „Eine generelle Erhöhung auf mindestens 25 Stunden wird den Patienten spürbar zugutekommen“. Der Beifall derer, die die Grundrechenarten nicht beherrschen, wird ihm sicher sein. Die Forderung lässt außer Acht, dass ein etwa 10-prozentiges Aufkommen an „Privatpatienten“ wohl kaum die Hälfte der durchschnittlich in den Praxen angebotenen Sprechzeiten beanspruchen dürfte. Zudem dürfte es keinen Vertrags(Zahn)Arzt in der Republik geben, der weniger als 25 Wochenstunden für „Kassenpatienten“ zur Verfügung steht.

 

Also nichts als Verbalschaum, der da geschlagen wird. Es müsse einen Anreiz geben, mehr Patienten anzunehmen, fordert Spahn und ignoriert dabei den Umstand, dass lange Wartezeiten nicht durch leere Wartezimmer und freie Kapazitäten entstehen: „Es muss wöchentlich zumindest einen Vormittag geben, an dem es möglich ist, sich spontan behandeln zu lassen“, lautet die nächste Forderung, bei der der Minister eine Honorierung außerhalb der Budgetierung verspricht, wenn künftig Ärzte über die Terminservicestellen neue Patienten kurzfristig annehmen würden. Alleine bei diesem Vorschlag zeigt sich die volle Pracht realitätsferner Politikerdenke. Dass die Terminservicestellen bei Verlust der freien Arztwahl relativ wenig nachgefragt werden, wird ausgeblendet. Über entsprechend komplexe Abrechnungsmodi und die dahinterstehenden Verwaltungs- und Kontrollmechanismen macht sich der Minister keine weiteren Gedanken. Angesichts immer neuer Gesetze, Verordnungen und Richtlinien, mit denen neu geschaffene behördenartige Institutionen ihre Existenzberechtigung nachweisen, scheint es ein Leichtes, die Selbstverwaltung (auf deren Kosten) auch damit zu belasten.

 

Kopf in den Sand

 

Die Problematik der langen Wartezeiten ist trotz aller gegenteiligen Behauptung dem Umstand geschuldet, dass es in Deutschland zu wenige Ärzte gibt, um die Nachfrage zu befriedigen – andernfalls gäbe es keine Wartezeiten. Nun kann man die Nachfrage wegtheoretisieren und auf Usbekistan verweisen, wo die Arztdichte wesentlich geringer ist, weniger Herzkatheter geschoben und weniger Kniegelenke punktiert werden. Im Gegenzug müsste die Politik den Mut und die Ehrlichkeit besitzen, dem Wahlvolk zu verkünden, dass sein Anspruchsdenken zu hoch sei, und dass es zum Großteil unberechtigterweise die Wartezimmer belagere []

 

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