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Kategorie: Kommentare, Praxisfinanzen, Privates Gebührenrecht
Rechtliche Situation bei Vorauszahlungen fragwürdig
Vorsicht mit der Vorkasse
Dürfen Ärztinnen und Ärzte Vorkasse von GKV-Patienten verlangen, wenn diese als Selbstzahler vorstellig werden? Um diese Frage dreht sich derzeit eine Debatte in Niedersachsen: Laut Medienberichten soll eine Patientin in der Praxis eines Kardiologen weggeschickt worden sein, weil sie die Kosten einer geplanten Behandlung nicht vorab in bar begleichen konnte.
Da sie als Kassenpatientin keinen zeitnahen Termin bekommen hatte, meldete sie sich bei dem Kardiologen als Selbstzahlerin. Dort habe man ihr mitgeteilt, dass sie früher zum Zuge kommen könne, dafür aber eine Vorauszahlung über 500 Euro leisten müsse. Weil sie am vereinbarten Tag das Geld aber nicht abgezählt dabei hatte, sondern mit Karte zahlen wollte, musste die Frau die Praxis wieder verlassen.
Laut GOÄ müssen Mediziner in Vorleistung gehen
Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) sieht grundsätzlich vor, dass die Mediziner mit ihrer Behandlung in Vorleistung gehen. Laut Paragraf 12 GOÄ wird die Zahlung der Patienten erst bei vollständiger Rechnung fällig. Danach muss die Rechnung „das Datum der Erbringung der Leistung, bei Gebühren die Nummer und die Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer sowie den jeweiligen Betrag und den Steigerungssatz“ ausweisen.
Medizinrechtlerin hält Vorauszahlungen für unzulässig
Die Hamburger Medizinrechtlerin Katja Paps von nexus.rechtsanwälte hält Vorauszahlungen für selbstzahlende GKV-Patienten in aller Regel für unzulässig. „Unsere Auffassung ist in diesem Fall relativ klar. Die GOÄ sieht eine Regelung zu Vorauszahlungen nicht vor. Darüber hinaus erfordert die Abrechnung der Leistungsziffern einen individuellen Behandlungsbezug, nicht zuletzt mit möglichen Steigerungssätzen. Dieses setzt aber voraus, dass die Behandlung vor Erteilung einer Rechnung, auf die sich die Vorauszahlung stützt, erfolgt ist.“ Zum Vergleich verweist sie auf die Gebührenordnungen von Rechtsanwälten und Steuerberatern, in denen das Recht auf Vorkasse explizit geregelt ist. „Die Nicht-Regelung in der GOÄ lässt den Schluss zu, dass sie nicht erlaubt ist“, so Paps. Etwas anderes dürfte dann gelten, wenn die Ärztin oder der Arzt begründete Anhaltspunkte geltend machen könnten, dass der Patient nicht willens oder in der Lage ist, seine Rechnung im Nachgang zu begleichen. Das gelte übrigens nicht für Notfälle; Ärzte haben bekanntermaßen die Verpflichtung, Patienten in akuten Fällen zu behandeln. Vorschüsse sollten also nur für medizinisch nicht notwendige Behandlungen genommen werden.
Hinweis im Bundesmantelvertrag
Ein weiterer Hinweis zum Umgang mit Vorkasse findet sich im Bundesmantelvertrag: Laut Paragraf 18 Absatz 2 darf ein Arzt von einem Versicherten nur dann eine Vergütung fordern, „wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt“.
So schützen Sie sich vor säumigen Patienten
- Bestehen berechtigte Zweifel des Mediziners an der Zahlungsfähigkeit oder -bereitschaft des Patienten, dürfen Privatärzte im Gegensatz zu Vertragsärzten eine Behandlung ablehnen.
- Entscheidend ist auch ein funktionierendes Forderungsmanagement, viele Praxen haben dies an einen externen Dienstleister ausgelagert. Auf diese Weise lässt sich das Vertrauensverhältnis zu den Patienten besser schützen.
- Außerdem bedeutet eine Auslagerung weniger Aufwand für das Praxisteam. Eine höhere Zahlungsrate bringt zumeist eine bessere Liquidität mit sich.
- Bis der Arzt sein Geld bekommt, muss er unter Umständen mehrere Schritte unternehmen: Zahlt der Patient nicht und kommt er einer Mahnung oder Zahlungserinnerung nicht nach, erfolgt in der Regel eine zweite und in manchen Fällen sogar eine dritte Mahnung, bevor in hartnäckigen Fällen der gerichtliche Mahnbescheid erlassen wird.
- Legt der Patient in dieser Phase Widerspruch ein, ist eine Klage der nächste Schritt, die bestehende Forderung durchzusetzen.
Manche Patienten geben bei der Kasse auch an, in der Praxis über die (Zahlungs-)Bedingungen nicht richtig aufgeklärt worden zu sein. Diesen Ärger scheuen viele Kolleginnen und Kollegen. Auch ein entsprechendes Aufklärungsformular schützt nicht immer vor unangenehmen Auseinandersetzungen. Rechtsanwältin Katja Paps betont, dass ein Verbot von Vorauszahlungen aber nicht die Begleichung vor Ort umfasst. Unmittelbar nach einer Behandlung dürfe man die Patienten also durchaus zur Kasse bitten.
Ausnahmen gelten bei Fremdleistungen
Differenziert betrachtet werden müssten Vorauszahlungen dagegen immer dann, wenn der Praxis durch die Behandlung selbst Fremdkosten wie Materialauslagen entstünden. „Zum Beispiel, wenn der Arzt etwas bestellt, das nur für diesen einen Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzt werden kann“, erklärt Paps. Das sei häufig in der Ästhetischen Medizin der Fall, wo beispielsweise eigens für eine Behandlung Op-Räume gebucht oder Anästhesisten angefordert werden. In diesem Fall sei es durchaus üblich, eine Vorauszahlung für die Fremdkosten zu verlangen. Die KV Niedersachsen hatte auf Anfrage der Ärzte Zeitung keine Erklärung, warum der Hannoveraner Kardiologe von der Patienten eine Vorauszahlung verlangt haben soll. Derzeit sei es um die Zahlungsmoral von Privatpatienten nicht besonders gut bestellt, vermutete ein Sprecher.
Keine schlechte Zahlungsmoral
Stefan Tilgner, Chef des Verbandes der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS), dementiert: Von schlechter Zahlungsmoral könne in der Privatmedizin keine Rede sein. Die Realisierungsquote sei seit einigen Jahren relativ gleichbleibend. „Im ambulanten Bereich liegt der Zahlungseingang aktuell bei 22 Tagen“, sagt Tilgner. Der Median liege 2024 bislang bei 22,9 Tagen. Und: Rund 90 Prozent der Selbstzahler-Patienten begleichen, bevor eine erste Mahnung fällig wird. Seiner Erfahrung nach hätten die Patienten bei Ärzten größere Hemmungen, in Zahlungsverzug zu geraten. Schließlich wolle man das Verhältnis zu den Medizinern nicht belasten. In weniger als einem Prozent der Fälle müsse wegen säumiger Zahlungen tatsächlich ein Anwalt eingeschaltet werden. Partiell komme es derzeit allerdings häufiger vor, dass Patienten, die Beihilfe bezögen, um Aufschub bitten. „Das hängt mit dem Tempo der unterschiedlichen Kostenerstatter zusammen“, so Tilgner
Quelle: ÄrzteZeitung am 6. Oktober 2024, Autorin: Kathrin Handschuh