Zum Hauptinhalt springen

Aktuell

< 10 Jahre „Rechtstipp“ bei zfn-online
11.03.2024 12:27 Alter: 49 days
Kategorie: Zahnheilkunde

Mundhygiene kann Leben retten

Ergebnisse einer Metaanalyse


 

 

Autorin: Nadine Eckert für "univadis"

 

Tägliches Zähneputzen könnte Krankenhauspatienten, speziell beatmete Patienten auf der Intensivstation, vor nosokomialen Pneumonien schützen und sogar die Mortalität reduzieren. Das zeigt eine Metaanalyse von 15 randomisiert-kontrollierten Studien, deren Ergebnisse in JAMA Internal Medicine vorgestellt wurden. „Nosokomiale Pneumonien sind die häufigsten nosokomialen Infektionen, etwa 1% der hospitalisierten Patientenpopulation ist davon betroffen – aber zu wirksamen Präventionsstrategien gibt es wenig Daten“, schreibt das Autoren-Duo Dr. Selina Ehrenzeller und Prof. Dr. Michael Klompas vom Department of Population Medicine der Harvard Medical School in Boston, USA.

 

Eingeatmete Bakterien können Infektionen begünstigen

 

Empfohlen wird eine konsequente Mundhygiene. „Es wird davon ausgegangen, dass nosokomiale Pneumonien unter anderem durch die Mikroaspiration von Bakterien aus der Mundhöhle ausgelöst werden“, erklärt Prof. Dr. Matthias Kochanek, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN). Studien stützen diese Hypothese: Mikroaspirationen sind bei Krankenhauspatienten häufig, und aus Mund und Lunge isolierte Mikroorganismen stimmen oft überein. Welche Methode zur Mundpflege optimal ist, ist allerdings nicht endgültig geklärt. Das Vorgehen in der Praxis variiert stark. In vielen Krankenhäusern kommen Mundspüllösungen mit Chlorhexidin oder anderen antiseptisch wirkenden Substanzen zum Einsatz, in anderen wird mit der Zahnbürste geputzt, oder es werden beide Methoden kombiniert.

 

Keine Zahlen für Deutschland, Empfehlungen veraltet

 

„Zahlen zu Art und Weise sowie Häufigkeit der Mundpflege auf deutschen Intensivstationen gibt es nur wenige“, sagt Kochanek. Auch keine der in die Metaanalyse aufgenommenen Studien stammt aus Deutschland. „Aus der eigenen Praxis und Klinik weiß ich aber, dass eine regelmäßige Mundhygiene gemacht wird auf, unterschiedliche Art und Weise“, ergänzt der Leiter der Internistischen Intensivmedizin an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Köln. Offizielle Empfehlungen finden sich zum einen in der S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ mit Stand 2017. Sie empfiehlt speziell zur Prävention beatmungsassoziierter Pneumonien bei bestimmten Patientengruppen die Mundpflege mit einer Chlorhexidin-Mundspüllösung.

 

Darüber hinaus gibt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut Tipps zur Vorbeugung nosokomialer Pneumonien: In einem Statement von 2013 wird zur regelmäßigen Mundpflege mit antiseptischen Substanzen mit nachgewiesener Wirksamkeit (z. B. Chlorhexidin) geraten. Der Stellenwert der mechanischen Zahnreinigung sei noch unklar.

 

Analyse von 15 randomisiert-kontrollierten Studien

 

Seither hat sich in der Forschung einiges getan: In ihre Metaanalyse konnten Ehrenzeller und Klompas 15 randomisiert-kontrollierte Studien einschließen, die den Effekt täglichen Zähneputzens auf das Risiko für nosokomiale Pneumonien untersucht hatten. In den meisten Studien hatte sowohl die Gruppe mit als auch die Gruppe ohne Zähneputzen zusätzlich Mundspülungen mit Chlorhexidin oder einem anderen Antiseptikum erhalten. Insgesamt umfasst die Analyse 10.742 Patientinnen und Patienten, davon 2.033 auf der Intensivstation und 8.709 auf Normalstationen. Regelmäßiges Zähneputzen reduzierte das Risiko für nosokomiale Pneumonien signifikant um 33% und war zudem mit einer um 19% geringeren Mortalität verbunden – im Vergleich zum Verzicht auf das Zähneputzen.

 

Getragen war die Risikoreduktion durch den Effekt bei den invasiv beatmeten Patienten: Nur bei ihnen war die Reduktion der Pneumonie-Inzidenz signifikant, nicht aber bei den Patienten ohne invasive Beatmung. Intensivpatienten, denen regelmäßig die Zähne geputzt wurden, mussten außerdem weniger lange beatmet werden (-1,24 Tage) und verbrachten weniger Zeit auf der Intensivstation (-1,78 Tage).

 

2-mal am Tag ist optimal

 

Die Analyse zeigte auch, dass zweimaliges Zähneputzen am Tag ausreicht; häufigeres Putzen führte in den Studien nicht zu besseren Ergebnissen. Keinen Effekt hatte das Zähneputzen auf die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus (außerhalb der Intensivstation) und den Einsatz von Antibiotika. „Die Ergebnisse unserer Metaanalyse deuten darauf hin, dass tägliches Zähneputzen ein essenzieller Bestandteil der Standardversorgung von hospitalisierten Patienten sein sollte, insbesondere bei denjenigen, die eine invasive Beatmung erhalten. Bei ihnen ist die Evidenz für die Vermeidung von Pneumonien und die Reduktion der Sterblichkeit am stärksten“, so die Autoren.

 

Standards müssen erst noch festgelegt werden

 

Für Kochanek ist die wichtigste Botschaft der Metaanalyse, dass „die Durchführung einer guten Begleithygiene bei diesen Patienten sehr wichtig ist, um Komplikationen wie Pneumonien zu verringern und so Intensivaufenthalte, die Dauer an der Beatmungsmaschine und die Sterblichkeit zu verringern“. Was dabei das optimale Vorgehen sei, müsse aber erst noch festgelegt werden. „Und das ist auch abhängig davon, von welchem Standard man ausgeht“, betont er.

 

Die in die Metaanalyse eingeschlossenen Studien wurden vorwiegend in Brasilien, Indien, Iran, China und Malaysia durchgeführt, einige wenige auch in Spanien und den USA. „Interessant wäre eine Studie, in der spezifisch für das deutsche Setting untersucht wird, welches vorgehen zur Mundhygiene bei hospitalisierten Patienten am effektivsten ist“, so Kochanek. „Nichtsdestotrotz ist die Metaanalyse eine gute Erinnerung daran, wie wichtig Maßnahmen wie Zähneputzen zur Vorbeugung nosokomialer Infektionen sind.“ Dieser Artikel erschien im Original in der deutschen Ausgabe von Medscape.com. Quelle: univadis am 11. März 2024; Autorin: Nadine Eckert