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12.11.2023 10:19 Alter: 312 days
Kategorie: GKV-Szene, Praxismanagement

Patienten können auch ohne Arzttermin auf Krankschreibung vertrauen

Aktuelles BSG-Urteil


 

 

Laut BSG wahrt ein Versicherter seinen Anspruch auf Krankengeld, wenn er am ersten Tag nach einer zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit die Praxis des Arztes aufsucht, um die eAU zu verlängern.

 

Patienten sollten bei einem Arztbesuch auch ohne vereinbarten Termin noch am selben Tag eine Krankschreibung bekommen. Darauf können sie jedenfalls in der Regel vertrauen, wie der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel in seiner jüngsten Sitzung entschied. Weist die Praxis sie ab, führt dies danach nicht zum Verlust des Krankengeldanspruchs.

 

Die Klägerin war seit September 2017 wegen einer Schulteroperation arbeitsunfähig. Als ihr Arbeitsverhältnis zum 30. April 2018 endete, zahlte ihre Krankenkasse weiter Krankengeld. Die zunächst letzte Krankschreibung endete am Sonntag, 17. Juni 2018. Ohne vereinbarten Termin suchte die Klägerin am 18. Juni 2018 ihre Hausarztpraxis auf. Wegen des hohen Patientenaufkommens wurde sie jedoch mit einem Termin für den 20. Juni 2018 wieder weggeschickt.

 

„Enge Ausnahme“

 

Der Bezug von Krankengeld setzt – heute von Wochenenden und Feiertagen abgesehen – eine durchgehende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit voraus. Entsteht eine Lücke, würde im laufenden Arbeitsverhältnis das Krankengeld für diese Zeit nur ruhen. Ist wie hier das Arbeitsverhältnis beendet, führt eine Lücke der Bescheinigungen dagegen zum dauerhaften Verlust des Krankengeldanspruchs. Wegen der fehlenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den 18. und 19. Juni 2018 stellte hier die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld daher ein.

 

Auf die Klage der Frau hatten das Sozialgericht Augsburg und das Bayerische Landessozialgericht die Krankenkasse jedoch verurteilt, weiter Krankengeld zu zahlen. Dem schloss sich nun auch das BSG an. Schon nach bisheriger Rechtsprechung lasse die Regel einer lückenlosen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „enge Ausnahmen“ zu. Danach reiche es aus, wenn ein Versicherter ernsthaft alles Zumutbare unternimmt, um rechtzeitig eine neue Krankschreibung zu erlangen. „Die Anforderungen hieran sind aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu überspannen“, erklärten die obersten Sozialrichter nun in dem neuen Fall.

 

„Nach diesen Maßstäben wahrt ein Versicherter seinen Anspruch auf weiteres Krankengeld (…) grundsätzlich auch dann, wenn er ohne zuvor vereinbarten Termin am ersten Tag nach einer zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit die Praxis des behandelnden Arztes zu üblicher Öffnungszeit persönlich aufsucht, um wegen derselben Krankheit eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erlangen.“ Soweit nicht „besondere Umstände“ dagegen sprechen, dürften Versicherte dabei grundsätzlich darauf vertrauen, dass dies auch ohne Terminvereinbarung noch am selben Tag möglich ist.

 

Im Streitfall habe die Klägerin rechtzeitig versucht, eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Die dennoch entstandene Lücke in den Bescheinigungen sei daher „für die Klägerin unschädlich“, urteilte das BSG. Die Lücke sei nicht der Klägerin, sondern ihrem Hausarzt und der Krankenkasse zuzurechnen. Quelle: Ärzte Zeitung am 10. November 2023