Aktuell
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, GKV-Szene, Praxisfinanzen
Protestaktion in Berlin: „Sie sind das Herz unserer Praxen“
Ärzte und Zahnärzte an der Seite des Fachpersonals
Deutliche Forderungen an Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach bei Protestaktion am Brandenburger Tor – Partielle Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von Quintessence News:
„Hören Sie auf, eine wichtige Säule der Versorgung zu demolieren.“ Dieser Forderung von Stephanie Schreiber, Medizinische Fachangestellte (MFA) und 2. Vorsitzende im geschäftsführenden Vorstand vom Verband medizinischer Fachberufe e.V. (vmf), an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach schlossen sich alle Rednerinnen und Redner und die viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Protestaktion am 8. September 2023 in Berlin an. „Fangen Sie endlich an, alle Gesundheitsberufe zu stärken, und nicht nur ausgesuchte“, so Schreiber. Die Politik schaut noch entspannt zu, wie Fachkräfte aus den Praxen und den Kliniken abwanderten – aber wer solle dann versorgen? „KI und Digitalisierung können das nicht“, so Schreiber.
Der Platz vor dem Brandenburger Tor war zu Beginn der Aktion gut gefüllt. Die ersten zehn Rednerinnen und Redner der mit 25 angekündigten Sprechern sehr langen Rednerliste kommentierten den Blick in die Menge mit „Wow“ oder „so viele haben wir Ärzte noch nicht zusammenbekommen“. Die sengende Sonne führte jedoch offensichtlich dazu, dass im Verlauf der Protestaktion viele doch einen schattigen Ort am Rand des Pariser Platzes aufsuchen mussten und es vor der Bühne deutlich leerer wurde. So schwanken die Schätzungen der Teilnehmerzahl zwischen 1.200 bis 1.800. Der Proteststimmung tat dies aber kaum einen Abbruch, mit Beifall, Trillerpfeifen und „Roten Karten“ begleiteten die Teilnehmer der Demonstration die Kritik der Redner an der Gesundheitspolitik und die Forderungen und machten ihrem Unmut über die Missachtung der ambulanten Versorgung durch die Politik deutlich.
Bayerischer Sozialminister Holetschek vor Ort
Prominentester politischer Redner war der bayerische Sozialminister Klaus Holetschek, der mit seinem Auftritt auch den bayerischen Landtagswahlkampf nach Berlin brachte. Allerdings engagiert sich die bayerische Landesregierung schon seit längerem für die Aufwertung der medizinischen Fachberufe und gegen die Aktivitäten von Fremdinvestoren im Gesundheitssystem. Lauterbach fahre einen gefährlichen Kurs, der einen großen Schaden anrichten werde, wenn man jetzt nicht umsteuere, so Holetschek. Man habe zudem kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem. Es gehe nicht um Neiddebatten oder um Almosen, sondern um die gerechte Entlohnung für eine hochwertige Leistung, um Entbudgetierung und Anpassung der Gebührenordnungen. Die Kultur des Misstrauens und der Sanktionierung müsse beendet werden, es gelte, den Menschen zu vertrauen, die im Gesundheitswesen arbeiten, denn „Sie werden uns durch die nächste Krise führen, nicht irgendwelche Paragrafen“. „Sie dürfen sich drauf verlassen, dass wir als Freistaat Bayern alles tun, um Sie zu unterstützen“, so Holetschek. Neben Holetschek waren Politiker der CDU/CSU und der Linken zum Brandenburger Tor gekommen. Von den Regierungsparteien fand niemand aus der laufenden Debatte im nahen Bundestag den Weg zur Protestaktion.
Hälfte der Redner aus der Zahnmedizin
Gut die Hälfte der Rednerinnen und Redner kam aus der Zahnmedizin und Zahntechnik. Sylvia Gabel, Referatsleiterin ZFA im vmf, freute sich über die große Unterstützung aus den Reihen der Arbeitgeber. Zu viele Kolleginnen gingen aus dem Beruf, die Patienten könnten nicht mehr ausreichend versorgt werden, gerade in der Prävention „Wir wollen eine vernünftige Gesundheitspolitik für unsere Patienten haben“, so ihre Forderungen. Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, erklärte: „Es sind eben nicht nur viele Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber, die heute hier sind, sondern vor allem auch unsere lieben Mitarbeitenden! Sie sind das Herz unserer Praxen. Wir wissen, was Sie alle täglich leisten. Ihre Arbeit ist eine entscheidende Grundlage für die Funktionsfähigkeit unserer Praxen und damit für eine gute zahnärztliche Versorgung. Daher kann ich Ihnen versichern, dass wir alle in einem Boot sitzen und gemeinsam für das Ende dieser verantwortungslosen Kostendämpfungspolitik kämpfen.“
„Riesiger gesundheitspolitischer Scherbenhaufen“
In gerade einmal anderthalb Jahren sei es Minister Lauterbach gelungen, „uns einen riesigen gesundheitspolitischen Scherbenhaufen zu hinterlassen“, so Hendges – mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das nicht zuletzt der Gesundheit der Patienten schade. „Die Leidtragenden dieser Politik sind unsere Patientinnen und Patienten! Die Leidtragenden dieser Politik sind Sie, sind wir alle!“, rief Hendges den Protestierenden zu. Man werde nicht aufhören, die Öffentlichkeit über die Folgen dieser verfehlten Politik aufzuklären. Man müsse klare Kante und „Zähne zeigen“, so der Titel der Kampagne der Zahnärzteschaft. […].
Quintessence News am 11. September 2023