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Kategorie: Arbeitsrecht, Praxisfinanzen
Krankmeldung nach Kündigung
Forderung auf Lohnfortzahlung berechtigt?
Kündigt ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis am Tag der Krankschreibung eines Beschäftigten, erschüttert dies den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen selbst dann nicht, wenn die Krankschreibungen bis zum Ende der Kündigungsfrist andauern. Das hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit einem am Dienstag veröffentlichten Urteil vom 8. März 2023 entschieden (8 Sa 190/22).
Der Kläger hatte sich am 2. Mai 2022 krankschreiben lassen. Unmittelbar darauf wurde sein Arbeitsverhältnis von seinem Arbeitgeber ordentlich zum Monatsablauf gekündigt. Die Kündigung ging dem Kläger einen Tag später zu. Bis Ende Mai wurde der Beschäftigte mit unterschiedlichen Diagnosen von seinem Arzt durchgängig krankgeschrieben. Am darauffolgenden Tag gesundete er und trat eine neue Arbeitsstelle an. Sein Arbeitgeber vermutete daher einen Zusammenhang mit der Kündigung. Er verweigerte seinem gekündigten Mitarbeiter daher die Lohnfortzahlung.
Forderung auf Fortzahlung des Lohns gerechtfertigt
Zu Unrecht, urteilte das in zweiter Instanz mit dem Fall befasste Niedersächsische Landesarbeitsgericht. Ebenso wie zuvor das Arbeitsgericht Hildesheim, hielt es die Forderung des Gekündigten auf Fortzahlung des Lohns bis zum Ende des Beschäftigungs-Verhältnisses für gerechtfertigt. Zwar könne der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung dadurch erschüttert werden, dass ein Arbeitnehmer sich im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung unmittelbar zeitlich nachfolgend postwendend krankmeldet beziehungsweise eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung einreicht. Das gelte insbesondere dann, wenn der gesamte Zeitraum der Kündigungsfrist lückenlos durch entsprechende Bescheinigungen abgedeckt werde.
Fehlender Kausalzusammenhang zwischen Kündigung und Krankschreibung
In dem entschiedenen Fall habe sich der Kläger jedoch zunächst krankgemeldet und erst danach die Kündigung seines Arbeitgebers erhalten. Aufseiten des Klägers fehle es folglich an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der Kündigung und der Krankschreibung.
„Allein die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, am unmittelbar darauffolgenden Tag gesundet und bei einem anderen Arbeitgeber zu arbeiten beginnt, erschüttere in der Regel ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen“, so das Landesarbeitsgericht. Der beklagte Arbeitgeber sei daher zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Autor: Wolfgang A. Leidigkeit für VersicherungsJournal online am 6. Juli 2023