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24.03.2023 19:30 Alter: 1 year
Kategorie: Berufspolitik, Privates Gebührenrecht, Zahnheilkunde

Erhöhung der Beihilfesätze für Angehörige – diese Fallen lauern

Warnung des PKV-Verbandes


 

 

Nach zwei Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichtes müssen Bund und Länder ihre Alimentation für Beamtinnen und Beamte anpassen. Einige wollen dafür die Beihilfesätze für Angehörige erhöhen. Was kurzfristig Geld spart, kann sich später jedoch als gravierender Nachteil für die Betroffenen erweisen.

 

Derzeit suchen Bund und Länder nach einer Lösung für eine verbesserte Alimentation ihrer Beamtinnen und Beamten. Hintergrund sind zwei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020. Die Karlsruher Richter hatten festgestellt, dass eine amtsangemessene Alimentation – vor allem in unteren Besoldungsgruppen und bei Familien mit Kindern – oft nicht gegeben ist. So werde häufig der erforderliche Abstand zur Grundsicherung unterschritten.

 

Da die Entscheidungen allgemeingültig sind, müssen die Dienstherren beim Bund und in den Ländern ihre Beamtenbesoldung überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Einige Bundesländer haben bereits zielgenaue Lösungen gefunden, um die Urteile umzusetzen. So haben etwa Berlin und Thüringen die kindbezogenen Familienzuschläge in den unteren Besoldungsgruppen erhöht, Schleswig-Holstein hat die Besoldung in ausgewählten Einstiegsämtern angehoben.

 

Der Bund und Sachsen planen hingegen, das Urteil durch eine Änderung des Beihilferechts umzusetzen. So soll im Bund der Beihilfebemessungssatz für Angehörige und Kinder von 70 auf 90 Prozent steigen und ein von 50 auf 70 Prozent erhöhter Beihilfebemessungssatz bereits ab dem ersten – statt wie aktuell dem zweiten Kind – gelten. Sachsen will den Satz für diese Personengruppen sogar auf 100 Prozent erhöhen. Im Gegenzug kann der anteilige Krankenversicherungsschutz entsprechend reduziert oder ganz aufgegeben werden. Damit würden die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung sinken oder gar wegfallen. Doch was auf den ersten Blick als Einsparung daherkommt, kann den Beamtinnen und Beamten schnell gravierende Nachteile bringen.

 

Höhere Abhängigkeit vom Beihilfesystem

 

Der Leistungsumfang in der Privaten Krankenversicherung ist vertraglich geschützt und kann von der Versicherung nicht reduziert werden. Anders in der Beihilfe: Hier werden die Leistungen vom Gesetzgeber definiert und können jederzeit gekürzt werden. Das ist in den vergangenen zehn Jahren bereits mehrfach geschehen: In unterschiedlichen Bundesländern wurden zum Beispiel zahntechnische Leistungen, Krankenhaus-Wahlleistungen oder Heilpraktikerbehandlungen gestrichen. Auch Beihilfebemessungssätze selbst wurden bereits gekürzt. Die Versorgung von Beamtinnen und Beamten gerät so schnell in die Abhängigkeit der jeweiligen Kassenlage der öffentlichen Haushalte. Dies gilt umso mehr, je höher der individuelle Beihilfebemessungssatz liegt.

 

Nachteile bei Scheidungen

 

Im Falle einer Scheidung bringen die geplanten Neuregelungen Probleme für die Ehepartner der Beamtinnen und Beamten mit sich. Denn bei einem Beihilfesatz von 90 Prozent würden diese nur noch für 10 Prozent Rücklagen im kapitalgedeckten System der Privaten Krankenversicherung aufbauen. Im Falle einer Scheidung und dem damit verbundenen Wegfall der Beihilfe müsste sich diese Personengruppe mit einem Schlag zu 100 Prozent in der PKV versichern. Ohne nennenswerte aufgebaute Alterungsrückstellungen kann dies zu hohen Beitragslasten führen. Im Falle der sächsischen Lösung mit 100 Prozent Beihilfe wären die Konsequenzen sogar noch gravierender. Denn da hier zuvor gar kein Bezug zur Privaten Krankenversicherung bestehen würde, käme – je nach Alter und Vorerkrankung der geschiedenen Angehörigen – gar keine Absicherung in einem herkömmlichen PKV-Tarif mehr in Betracht. Hier wäre dann lediglich der brancheneinheitliche Basistarif zu hohen Kosten möglich.

 

Beitragseinsparung geringer als suggeriert

 

Die tatsächliche Beitragsreduktion dürfte deutlich geringer sein, als durch die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes suggeriert. Steigt dieser Satz von 70 auf 90 Prozent, müssen statt 30 Prozent nur noch 10 Prozent Restkosten über eine private Krankenversicherung abgesichert werden. Die Reduzierung des Versicherungsschutzes um zwei Drittel dürfte aber nicht mit einer Beitragsreduzierung in gleichem Maße einhergehen. Denn bei der Beitragsberechnung fallen Verwaltungs- und andere Fixkosten an, die unabhängig vom zu tragenden Kostenanteil sind.

 

Beamtinnen und Beamte müssen sich selbst um Beitragsreduzierung kümmern

 

Ändert sich der Beihilfebemessungssatz, haben Beamtinnen, Beamte und deren Angehörigen grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Versicherungsschutz in der PKV entsprechend angepasst wird. Diese Anpassung sollte allerdings aktiv innerhalb von sechs Monaten nach der Änderung beantragt werden. Wer keinen Antrag stellt, zahlt weiter den bisherigen Krankenversicherungsbeitrag. Bei später gestellten Anträgen kann eine eventuelle rückwirkende Anpassung des Versicherungsschutzes abgelehnt werden und eine Erstattung ist nicht möglich. Bei der in Sachsen geplanten Regelung mit einem Beihilfebemessungssatz von 100 Prozent kommen zu den oben genannten Schwierigkeiten weitere Probleme hinzu. Grund dafür ist vor allem die vollständige Abkopplung der Angehörigen von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung:

 

Angehörige verlieren Vorsorgefreiheit

 

Die Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes auf 100 Prozent beschränkt sich auf die Erstattung der reinen Krankheitskosten. Darüber hinaus gehende Leistungen (etwa Zahnersatz oder Einbettzimmer im Krankenhaus) können Beamte und Angehörige in der heutigen Produktwelt über Beihilfeergänzungstarife in der PKV absichern. Dies setzt jedoch voraus, dass diese Personen in der beihilfekonformen Restkostenversicherung versichert sind. Diese ist bei einer Beihilfe von 100 Prozent nicht mehr gegeben. Die Angehörigen wären damit von den Leistungen der Beihilfe abhängig und hätten keine Möglichkeit mehr, sich zusätzlich abzusichern.

 

Probleme bei der Aufnahme einer späten Erwerbstätigkeit

 

Wenn Beamten-Angehörige mit einer 100-prozentigen Beihilfe ab 55 Jahren eine Erwerbstätigkeit über einem Einkommen von 18.000 Euro aufnehmen wollen, kommen sie aus Altersgründen nicht mehr in die Gesetzliche Krankenversicherung. In der Privaten Krankenversicherung müssten sie einen neuen Antrag stellen. Hier kann es sein, dass ebenfalls aus Altersgründen oder nun vorhandenen Vorerkrankungen nur noch der teure Basistarif in Frage kommt. Die Aufnahme der Erwerbstätigkeit kann damit unattraktiv werden.

 

Probleme beim Wechsel in ein anderes Bundesland

 

Wechselt die Beamtenfamilie in ein anderes Bundesland, in dem die Angehörigen keinen Anspruch auf eine Beihilfe von 100 Prozent haben, gibt es ebenfalls Probleme bei der Absicherung der Angehörigen. Denn auch hier müssen sie einen komplett neuen Antrag auf Aufnahme in einer Privaten Krankenversicherung stellen. Je nach Alter und bestehenden Vorerkrankungen kann dies teuer werden oder gar nicht erst möglich sein. Auch die Aufnahme über die Öffnungsaktion ist dann in der Regel nicht möglich, weil in vielen Fällen die sechsmonatige Frist nach der erstmaligen Berücksichtigungsfähigkeit bei der Beihilfe verstrichen sein dürfte.

 

Kein Anspruch auf PKV-Services

 

Die Beihilfe ist ein reiner Kostenerstatter und bietet keinen zusätzlichen Service. In der PKV steht den Versicherten hingegen ein breites Angebot an qualitätsgesicherten Leistungen des Gesundheitsmanagements zur Verfügung. Dazu gehören bspw. Versorgungsprogramme für Menschen mit chronischen Erkrankungen, die gezielte Begleitung von Kunden mit schweren Erkrankungen und nach Unfällen sowie Angebote im Bereich der Prävention oder der Gesunderhaltung. All diese bedarfsorientierten Services würden Angehörigen und Kindern mit einer Beihilfe von 100 Prozent nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

Abkopplung der Angehörigen von der Digitalisierung im Gesundheitswesen

 

Die Angehörigen werden voraussichtlich weitgehend von der Digitalisierung im Gesundheitswesen abgeschnitten. Nach aktuellem Stand wird der Zugang zur Telematikinfrastruktur einen privaten Versicherungsschutz voraussetzen. Bereits die Vergabe einer einheitlichen Krankenversichertennummer als unverzichtbare Voraussetzung für einen Zugang zu den zukünftigen digitalen Angeboten, allen voran zu den elektronischen Patientenakten und elektronischen Rezepten, knüpft an einen privaten Krankenversicherungsschutz an. Quelle: PKV Verband im März 2023