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16.02.2023 10:03 Alter: 1 year
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, GKV-Szene

Memorandum zur Versorgung mit MVZ

„MVZ unabhängig von Interessen der Kapitalgeber“


 

 

Im Rahmen der aktuellen Debatte um Medizinische Versorgungszentren (MVZ) wurde gestern in einer Pressekonferenz in Berlin das Memorandum mit dem Titel „Die Rolle von MVZ in der ambulanten medizinischen Versorgung – besteht regulatorischer Handlungsbedarf?“ vorgestellt. Der Diskussionsbeitrag wurde auf Initiative des Bundesverbands der Betreiber Medizinischer Versorgungszentren (BBMV) und des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin e.V. (ALM) von Prof. Dr. Frank-Ulrich Fricke, Werner Köhler sowie Dr. Stephan Rau verfasst.

 

Zum Thema wurden bereits zahlreiche Studien und Positionspapiere veröffentlicht. Im Kern wird im heute veröffentlichten Memorandum deutlich, dass es in den bisherigen Studien keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass unterschiedliche Kapitalgeberstrukturen die ambulante Versorgung verschlechtern oder verteuern. Es gibt keine Evidenz dafür, dass Kapitalinteressen ärztliche Entscheidungen beeinflussen oder eine Zunahme von MVZ der Versorgung von Patientinnen und Patienten schadet. Mit Blick auf die drängenden strukturellen Herausforderungen in der medizinischen Versorgung ist ein qualitätsorientierter Wettbewerb mit einer größtmöglichen Vielzahl an Versorgungsformen, Trägern und Kapitalgebern notwendig. Das schließt MVZ mit nicht-ärztlichen, privaten Kapitalgeber ausdrücklich mit ein. Da die Notwendigkeit der Erwirtschaftung von Erträgen (Renditeorientierung) ein Merkmal aller Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen ist, können mithilfe adäquater rechtlicher Rahmenbedingungen festgestellte negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität minimiert und gleichzeitig notwendige Investitionen gefördert werden.

 

„Träger- oder Inhaberschaft sind kein geeignetes Kriterium für eine gesetzliche Regulierung“, betont die Vorsitzende des Bundesverbands der Betreiber medizinischer Versorgungszenten e.V., Sibylle Stauch-Eckmann. „Das Memorandum zeigt erneut, dass es keinen Zusammenhang zwischen der in MVZ geleisteten Patientenversorgung und der Inhaber- oder Trägerschaft gibt. Leider gerät auf Grund dieser Diskussion die wirklich wichtige Frage aus dem Blick, wie wir in Deutschland auch in Zukunft eine gute und wohnortnahe Gesundheitsversorgung sicherstellen können. Ich bin mir sicher, dass MVZ-Gruppen hier ein wichtiger Teil der Lösung sind. Die Potenziale dieser Versorgungsform müssen ohne Scheuklappen in die politische Diskussion einbezogen werden“, so Stauch-Eckmann.

 

„Ein qualitätsorientierter Wettbewerb in der medizinischen Versorgung braucht keine weiteren Beschränkungen in der Gründung von MVZ“, so der Vorsitzende der Akkreditierten Labore in der Medizin e.V., Dr. Michael Müller. „Es ist fraglich, wie solche Beschränkungen die ambulante Versorgungssituation verbessern sollen. Mit dem heute vorgelegten Memorandum leisten der ALM und BBMV einen wichtigen Diskussionsbeitrag in der Sache. Es ist an der Zeit, eine breitere öffentliche Debatte über die geplanten Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu führen, vor allem aber auch mit den Beteiligten selbst, anstatt nur über sie“, so Müller weiter.

 

Fast 80 Prozent der medizinischen Versorgung werden immer noch von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in Praxen sichergestellt. Die räumliche Verteilung von MVZ zwischen städtischen Ballungsräumen und strukturschwächeren ländlichen Räumen entspricht in etwa der Verteilung der Bevölkerung. Häufig vorgebrachte und anderslautende Vorwürfe scheinen in erster Linie ideologisch geprägt und sind weniger durch die vorliegende breite Datenlage begründbar.

 

Die Forderungen nach einer Beschränkung von Gründungsmöglichkeiten durch nicht-ärztliche, private Kapitalgeber können eher dazu führen, dass es insbesondere auch in ländlichen Gebieten weniger attraktive Angebote für Ärzte gibt, im ambulanten Bereich tätig zu sein. Darüber hinaus könnte das Investitionsvolumen im ambulanten Bereich sinken, wenn auch private Kapitalgeber sich nicht mehr an MVZ in der ambulanten Versorgung beteiligen können. Es ist daher schwer zu erkennen, wie aktuell diskutierte weitere Beschränkungen die ambulante Versorgungssituation verbessern können. Es wäre daher sinnvoll, so die Autoren, wieder zu einer Öffnung der Gründungsmöglichkeiten zu kommen. Dies hätte auch den Vorteil, dass sich wieder weniger finanzstarke und regionale, nicht-ärztliche Kapitalgeber an MVZ beteiligen könnten, eine Entwicklung, die bereits mit der gesetzlichen Einengung der Gründungsmöglichkeiten im Jahr 2012 gestoppt wurde. Alle bislang diskutierten Maßnahmen zur Begrenzung Medizinischer Versorgungszentren sind sowohl aus verfassungs- als auch aus europarechtlicher Perspektive zumindest fragwürdig.

 

Zu den Autoren des Memorandums:

 

  • Prof. Dr. Frank-Ulrich Fricke ist Professor für Gesundheitsökonomie an der Technischen Hochschule Nürnberg.
  • Werner Köhler war langjähriger Leitender Verwaltungsdirektor der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Franken und Oberbayern in München und Mitglied in verschiedenen Gremien der Gemeinsamen Selbstverwaltung, u. a. Vorsitzender des Zulassungsausschusses Oberbayern und Richter am Sozialgericht München.
  • Dr. Stephan Rau ist Rechtsanwalt in München und spezialisiert auf Transaktionen im Gesundheitswesen. 

 

Quelle: Memorandum vom 15. Februar 2023