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15.02.2023 20:18 Alter: 1 year
Kategorie: Medizinrecht, Privates Gebührenrecht

Störung des Zahnarzt-Patientenverhältnisses

Ist es Krankenversicherungen erlaubt, ein Qualitätsnetzwerk zu empfehlen?


 

 

Information unseres Kooperationspartners Zahnärzte für Niedersachsen e.V. ( ZfN):

 

Das Zahnarzt-Patientenverhältnis ist ein durch großes Vertrauen geprägtes Verhältnis. Die freie Zahnarztwahl gilt es daher zu schützen. Doch immer wieder kommt es vor, dass dieses Verhältnis von außen –z.B. von Krankenversicherungen- gestört wird. So auch in dem vom OLG Dresden, 09.10.2020, AZ: 14 U 807/20, entschiedenen Fall:

 

Eine Krankenversicherung hatte nach Zusendung eines Heil- und Kostenplans zur Prüfung ein Schreiben an sein Mitglied versandt, in welchem sie auf ein Qualitätsnetzwerk von Zahnärzten und regionalen Zahnarztlaboren verwies. Bei Nutzung des Qualitätsnetzwerkes wurden dem versicherten Mitglied Vorteile versprochen. Gegen dieses Schreiben der Krankenkasse wandte sich der behandelnde Zahnarzt, weil er das Handeln der Krankenkasse für unlauter hielt. Unlauter handelt, wer den Zweck verfolgt, Mitbewerber an der Entfaltung zu hindern und sie dadurch versucht, zu verdrängen oder so zu beeinträchtigen, dass der Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Ob ein Handeln unlauter ist, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände im Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit entscheiden.

 

Unlauter ist ein Abwerben von Kunden erst, wenn das Handeln unangemessen ist, d.h. wenn der Abfangende versucht, sich so zwischen Mitbewerber und Kunden zu stellen, dass dem Kunden sich eine Änderung seines Entschlusses, das Angebot des Mitbewerbers anzunehmen, aufdrängt. Im vom OLG Dresden entschiedenen Fall (AZ: 14 U 807/20) sah das Gericht das Verhalten der Krankenkasse als unlauter an: Der Patient hatte sich bereits zur Behandlung bei einem Zahnarzt seiner Wahl entschieden und den von diesem Zahnarzt erstellten Heil- und Kostenplan bei der Krankenversicherung zur Prüfung eingereicht. Das daraufhin von der Krankenkasse versandte Schreiben, in welchem mit Vergünstigungen für den Patienten bei Nutzung des eigenen Qualitätsnetzwerkes geworben wurde, stellt eine solche unlautere Handlung der Krankenkasse dar. Mit dem Anreiz von finanziellen Vorteilen bei Nutzung des Qualitätsnetzwerkes wird von Seiten der Krankenkasse der Patient aufgefordert, sich mit von der Krankenkasse beworbenen Gesundheitspartnern in Verbindung zu setzen. Die Krankenkasse bietet damit eine „hochwertige und preisgünstige Alternative“ zum Heil- und Kostenplan des Behandlers an. Damit beschränkt sich die Krankenkasse nicht darauf, einen durch die freie Arztwahl beim Patienten bestehenden Informationsbedarf auf dessen Veranlassung durch ein Gegenangebot oder eine Zweitmeinung nachzukommen, sondern, bewirbt das Qualitätsnetzwerk selbst, was eine verbotene aktive Werbung um Patienten darstellt.

 

Nach den Gesamtumständen des Falles hat das OLG Dresden daher zugunsten des Behandlers entschieden, dass ein solches Schreiben der Krankenkasse, veranlasst durch die Prüfung eines Heil- und Kostenplanes, als unlauter und unangemessen einzustufen ist. Die Krankenkasse hat ein solches Verhalten zu unterlassen, denn die beanstandete Handlung der Krankenkasse erschöpft sich nicht allein in einer Empfehlung oder Zugänglichmachung eines günstigen Tarifs, sondern sie regt bereits vor abschließender Prüfung des Heil- und Kostenplans den Patienten zu einem Zahnarztwechsel an. Die Krankenversicherung, so führt das OLG Dresden aus, nutze ihre Position verfahrensfremd aus, um die Nachfrage von Versicherungsleistungen auf ihre Gesundheitspartner umzulenken, denn Patienten neigen dazu, die Wünsche ihrer Versicherungen nachzukommen, um eine rasche, einfache und möglichst kostendeckende Leistungsübernahme zu erreichen.

 

Durch finanzielle Zuwendungen in Form von finanziellen Vorteilen greift die Krankenkasse beeinträchtigend in die freie Arztwahl ein. Das Verhalten der Krankenkasse stelle daher ein unlauteres Abfangen von Patienten dar und berührt das Recht des Patienten auf freie Arztwahl. Durch die Entscheidung des OLG Dresden wird betont, dass das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ein durch besonderes Vertrauen geprägtes Verhältnis ist, welches vor Einflüssen von außen – insbesondere auch der Krankenkasse — zu schützen gilt. Der Patient muss frei sein in seiner Wahl des Behandlers und in der Wahl der Behandlung.

 

Quelle: Information des Berufsverbandes „Zahnärzte für Niedersachsen e.V. (ZfN), Autorin: Wencke Boldt, Fachanwältin für Medizinrecht, Hildesheimer Straße 33, 30169 Hannover am 15. Februar 2023