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< Pro und Kontra: Zwei Experten, zwei Meinungen
28.09.2018 09:06 Alter: 6 yrs
Kategorie: Gesundheitspolitik, Berufspolitik, Medien & Internet, GKV-Szene, Kommentare

Digitalisierung um jeden Preis?

Kommentar zu Sinn und Unsinn


Kommentar des Kollegen Michael Loewener (freier Fachjournalist) für unseren Kooperationspartner Zahnärzte für Niedersachsen (ZfN):

 

"Nahezu täglich hören wir aus den Medien die frohe Botschaft der Digitalisierung. Ob Schule, Unternehmen, Ämter oder Medizinbetrieb - überall sei ein erheblicher Mangel an Digitalisierung festzustellen, der das Gemeinwesen ins Unglück und in den Verfall zu stürzen drohe. Digitalisierung sei druckvoll voranzutreiben, damit die Wirtschaft nicht den Anschluss an die bereits hervorragend digitalisierte Nachbarschaft verlieren möge, damit der Gesundungsprozess der Bevölkerung keinen Schaden nehme und überhaupt der Fortschritt bis hin zur digital gesteuerten Wiederbefüllung des heimischen Kühlschranks nicht behindert werde.

 

Bei diesem Aufwand und der gebetsmühlenartigen Wiederholung der Durchsage könnte sich die Frage aufdrängen, wer denn ein massives Interesse an einer alle Lebensbereiche durchdringenden Digitalisierung haben könnte. Die Medien machen sich dabei zum gern gesehenen „Lautsprecher" derer, die - natürlich nur unter rein volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten - einen Verkaufsdruck des Digitalen erzeugen möchten. Aber auch die in Verantwortung stehenden Politiker sind als „Universal-Dilletanten" (Originalton Sigmar Gabriel) gerne bereit, die Sprechblasen der Hard- und Softwareproduzenten mit neuer Luft zu füllen, verbirgt sich doch hinter dem Wort „Digitalisierung" die Sehnsucht nach endlosem Fortschritt, nach Freiheit und Wohlstand. Welcher Politiktreibende möchte vor seinem Publikum als analoger Mensch oder digitales Fossil zurückbleiben?

 

Die „Digitalisierung" hat inzwischen einen Beschleunigungsprozess erfahren, bei dem die Frage nach Sinn und Unsinn sehr nahe beieinander liegen können. Es hat eine Jagd nach dem nächsten Schritt eingesetzt, eine Ruhelosigkeit, die Auswirkungen auf das Zusammenleben der Menschen entfaltet. Der Blick in die Zukunft lenkt mehr und mehr vom Leben in der Gegenwart ab.

 

Digitale „Drückerkolonne"?

Zurück zu den Fakten: Der Zusammenschluss von mehr als 2.600 Unternehmen der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche firmiert unter der Bezeichnung „Bitkom" - „Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V.". Nach eigener Aussage vertritt der Branchenverband „mehr als 1000 Mittelständler, über 400 Startups und nahezu alle Global Player". Interessant ist ein Blick auf das Netzwerk, die sog. „Gremien" der Bitkom:

 

https://www.bitkom.org/NP-Bitkom/NP-Organisation/2018-09-Gremienstruktur-17.pdf

 

Und es lohnt sich auch ein Blick auf die Ziele und Aktivitäten im Bereich E-Health, um zu erkennen, mit welcher Vehemenz die Organisation auf dem Gesundheitsmarkt tätig ist. Ein Markt, dem die Bitkom ein hohes Wachstumspotenzial bescheinigt.

 

https://www.bitkom.org/Bitkom/Organisation/Gremien/E-Health.html

 

Für 2018 hat die Bitkom in ihren Verlautbarungen eine neue Digitaloffensive versprochen. Und es scheint, als trüge diese bereits Früchte, wenn allerorten über das unaufschiebbare Erfordernis einer digitalen Durchdringung schwadroniert wird. Wirtschaft, Bildungs- und Gesundheitswesen nehmen einen Platz auf den vorderen Rängen ein.

 

Bildungsrepublik Deutschland – eine Nebelkerze

Noch bevor jeder Erstklässler sein Smartphone befingern und sich bei stundenlanger Betrachtung der mickrigen Bildschirme die Augäpfel nachhaltig verformen *1) und das schuleigene Tablet als Lösung aller Bildungsprobleme gefeiert wird, sollte ganz analog sichergestellt sein,dass die Dächer und Fenster aller Schulen dicht, die Toiletten begehbar, die pädagogische und personelle Ausstattung einer „Bildungsrepublik“ angemessen und der Umgangston menschlich ist. Erst wenn der Bildungsnotstand im Lande restlos beseitigt ist, sollte der Staat einen Teppich an Breitbandkabeln ausrollen; denn dieser ist unbestreitbar wichtig, um den echten Nutzen einer Digitalisierung zu entwickeln ..."

 

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Quelle: ZfN