Zum Hauptinhalt springen

Aktuell

< ZFA und MFA demonstrieren in Berlin
06.09.2022 11:52 Alter: 2 yrs
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, GKV-Szene, Praxisfinanzen, Zahnheilkunde

Parodontitis-Behandlung für 30 Millionen Patienten erhalten

Mehr als 15.000 Protestschreiben: Niedergelassene Zahnärzte fordern Änderungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes


 

 

Anlässlich des in Kürze beginnenden parlamentarischen Verfahrens über das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) haben sich, organisiert von den 17 Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV), bundesweit mehr als 15.000 niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte an einer Protestaktion gegen das Gesetz beteiligt, in dem sie einen Brief an Bundesgesundheitsminister Lauterbach unterzeichnet haben. Ziel der Aktion der KZVen ist die Sicherung der Patientenversorgung insbesondere bei der Behandlung von Parodontal-Erkrankungen nach der neuen Parodontitis-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Diese präventionsorientierte Behandlung wird durch die aktuelle Gesetzesfassung quasi abgeschafft.

 

Hintergrund

 

Erst 2021 wurde gemeinsam mit den Krankenkassen, der Ärzteschaft, den Patientenvertretern und den Fachgesellschaften die moderne, präventionsorientierte Parodontitis-Therapie in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen – und dies unter Mitwirkung des Bundesgesundheitsministeriums. Neben den unmittelbar positiven Auswirkungen für die Mundgesundheit verhindert die Parodontitis-Therapie Herz-Kreislauferkrankungen, die Wechselwirkung mit Diabetes ist wissenschaftlich belegt und weitere durch die chronischen Entzündungen ausgelösten Krankheiten unterstreichen die Bedeutung der Parodontitis-Behandlung.

 

Die Aufnahme der dreijährigen Behandlung in den GKV-Leistungskatalog war ein großer Fortschritt für eine präventionsorientierte Gesundheitsversorgung. Über das Instrument der nun geplanten Budgetierung entzieht das Gesetz der Versorgung die erforderlichen finanziellen Mittel mit gravierenden Folgen: Begonnene Behandlungen, die sich nach der Richtlinie über drei Jahre erstrecken, können dann zu Teilen nicht zu Ende geführt und neue Behandlungen nicht begonnen werden. Davon sind mehr als 30 Millionen Versicherte betroffen, denen der rechtlich zugesagte Leistungsanspruch auf eine wirksame Parodontal-Behandlung durch dieses Gesetz wieder entzogen wird.

 

Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, die ebenfalls vehement für Änderungen an dem Gesetz eintritt, ergänzt:

 

„Dies ist eine klare Botschaft an den Bundesgesundheitsminister: Mehr als 15.000 niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, die in der täglichen Praxis erleben, was die faktische Abschaffung der erst letztes Jahr im Konsens mit den Krankenkassen, den Patientenvertretern, den Fachgesellschaften und dem Bundesgesundheitsministerium verabschiedeten Parodontitis-Therapie für die Gesundheit ihrer Patienten bedeuten würde, setzen hier ein eindeutiges Signal, das der Minister nicht ignorieren kann. Die klare Haltung der Kolleginnen und Kollegen gibt uns auch Rückenwind für die Gespräche und Anhörungen im nun beginnenden parlamentarischen Verfahren.“

 

Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats hat nach aufklärenden Argumenten der KZBV und den konstruktiven Gesprächen mit den Landesgesundheitsministern wie hier in Nordrhein- Westfalen zwischen der KZV Nordrhein, der KZV Westfalen-Lippe und dem Landesgesundheitsminister Laumann nun gefordert, das Gesetz an dieser Stelle zu ändern und die Parodontitis-Behandlung weiter zu ermöglichen. Neben diesen für die Versorgung gravierenden Auswirkungen muss sich der Bundesminister auch die Frage gefallen lassen, warum ausgerechnet in dem Bereich des Gesundheitssystems, der durch konsequenten Ausbau von Prophylaxe und Prävention seinen Anteil an den GKV-Ausgaben von 2000 bei 9 % liegend auf heute nur 6 % heruntergefahren hat, nun eine Budgetierung eingeführt werden soll. Wie wenig durchdacht dieser Ansatz ist, zeigen die Konsequenzen für die Parodontal-Behandlungen.

 

Dr. Holger Seib, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und Dr. Ralf Wagner, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein:

 

„Dieser Gesetzentwurf kuriert nur an den Symptomen, aber es beseitigt nicht die Ursachen für das Milliardendefizit der Krankenkassen. Als für die Versorgung von etwa 15,6 Millionen gesetzlich Versicherten in Nordrhein-Westfalen verantwortliche Körperschaften warnen wir ausdrücklich vor den schädlichen Auswirkungen auf eine ausreichende Versorgung mit Zahnarztpraxen. Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte werden sich noch schwerer mit der Entscheidung für die hohen Investitionen zur Gründung einer Praxis auf dem Land und in sozial schwächer strukturierten Regionen tun, weil der Anteil der Kassenpatienten dort signifikant höher ist. Genau bei diesen Patientinnen und Patienten werden die Leistungskürzungen verordnet. Die Folgen für die Patienten werden weniger Zahnarztpraxen und dadurch längere Anfahrtswege und größere Wartezeiten auf Termine sein. Das halten wir für unverantwortlich!

 

Dieses sehen nicht nur Gesundheitsexperten in den Ländern so, sondern mit der jetzt erfolgten Übersendung der offenen Briefe bundesweit mehr als 15.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte, allein aus Nordrhein-Westfalen rund 5.400.

 

Herr Minister, hören Sie auf diejenigen, die Tag für Tag die Menschen behandeln und gewähren den Patienten auch zukünftig die notwendige zahnmedizinische Versorgung!“

 

Ein Gesetz, insbesondere eines, das Auswirkungen für das Funktionieren des deutschen Gesundheitssystems und damit die medizinische Versorgung der Bevölkerung hat, wird nicht vom Gesundheitsminister diktiert, sondern in einem parlamentarischen Verfahren von den Mitgliedern des Deutschen Bundestages als Gesetzgeber beschlossen. Die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sind zuversichtlich, dass in diesem Verfahren ihre Argumente im Interesse der Patientinnen und Patienten Berücksichtigung finden und wie auch vom Gesundheitsausschuss des Bundesrats gefordert, die großen Fortschritte in der Parodontitis-Behandlung nicht durch dieses Gesetz zunichte gemacht werden. Vor den in den kommenden Sitzungswochen beginnenden entscheidenden Verhandlungen des Gesetzes im Deutschen Bundestag fordern die unterzeichnenden Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte vom Bundesgesundheitsminister, auf diese in keiner Weise nachvollziehbare Leistungskürzung zu verzichten und beim Gesetz nachzubessern.

 

Quelle: Pressemitteilung in Kooperation mit den kassenzahnärztlichen Vereinigungen Deutschlands