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09.09.2021 18:34 Alter: 3 yrs
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, Medizinrecht, Zahnheilkunde

Patienten berichten von Komplikationen

ZÄK-NR warnt vor gewerblichen Aligner-Shops


 

 

Immer wieder wenden sich Patienten an die Zahnärztekammer Nordrhein wegen vermuteter Behandlungsfehler von Aligner-Shops. Grund dafür ist die oft unzureichende zahnärztliche Betreuung.

 

Gerade Zähne für wenig Geld – mit diesem verheißungsvollen Versprechen werben unzählige gewerbliche Aligner-Shops (Aligner sind auch als unsichtbare Zahnschienen bekannt) in sozialen Netzwerken und Werbespots. Anna Göbel (Name geändert) ließ sich davon überzeugen und wandte sich an einen Aligner-Shop zur Begradigung ihrer Zähne. Eine Entscheidung, die sie inzwischen bereut. Statt der prognostizierten geraden Zähne nach 16 Wochen bildete sich nach kurzer Zeit eine Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen. Nach insgesamt zehn Monaten Behandlungszeit, unzähligen Mails mit dem Kundenservice des Aligner-Shops und mehreren Behandlungsplänen mit neuen Schienen beendete sie vorzeitig die Behandlung. „Im Nachhinein hätte ich die Behandlung lieber gelassen“, sagt sie heute.

 

Mit dieser Erfahrung ist sie nicht die einzige. Immer wieder erreichen die Zahnärztekammer Nordrhein Beschwerden von Patienten, die von Komplikationen bei der Behandlung in Aligner-Shops berichten.

 

Behandlung oft ohne Aufklärung und unter medizinischem Standard

 

Wichtig: Die Behandlung mit Alignern ist eine bewährte Therapie der modernen Kieferorthopädie für die Patientinnen und Patienten. Das Problem bei den meisten gewerblichen Aligner-Shops ist jedoch, dass diese nach Auffassung der Zahnärztekammer Nordrhein ihren Kunden eine unzureichende zahnärztliche Betreuung bieten. Nach der Anfertigung eines Gebiss-Scans bei einem „Partnerzahnarzt“ zu Beginn wird der Behandlungsplan durch den Aligner-Shop lediglich als Simulation am Computer berechnet. Die Kunden werden häufig auch während ihrer Behandlung unzureichend persönlich zahnmedizinisch betreut. Statt regelmäßiger Kontrollbesuche bei einem Zahnarzt beziehungsweise Kieferorthopäden werden die Kunden aufgefordert, selbst Handybilder von ihren Zähnen zu machen und diese den Aligner-Shops zuzuschicken, wodurch sich der Erfolg oder Misserfolg einer Behandlung jedoch nach Auffassung der Zahnärztekammer Nordrhein nicht erkennen lässt.

 

Das führt nicht selten zu Komplikationen wie im Fall von Anna Göbel. Als sie die Lücke zwischen ihren Scheidezähnen entdeckte, kontaktierte sie den Anbieter. „Der Kundenservice war eine Katastrophe“, sagt sie. Mitunter habe sie zwei Wochen auf eine Antwort gewartet – jedes Mal habe ihr ein anderer Mitarbeiter geantwortet, der meist keinen Überblick über ihre Vorgeschichte hatte.

 

Zahnverlust bei falscher Behandlung möglich

 

Doch Kunden der Aligner-Shops droht Schlimmeres: Auch eine Schädigung des Zahnbetts oder gar Zahnverlust ist infolge einer falschen Behandlung mit Alignern möglich. Nach insgesamt zehn Monaten beendete Anna Göbel schließlich die Behandlung bei dem Aligner-Shop, nachdem es erneut Probleme mit ihrem Behandlungsplan gab. „Um zu vermeiden, dass ich wieder einen neuen Plan bekomme und neue Komplikationen auftreten, brach ich die Behandlung lieber ab“, berichtet sie. Das erwünschte Ergebnis sei jedoch nicht eingetreten. Mit ihrem Fall wandte sie sich schließlich hilfesuchend an die Zahnärztekammer Nordrhein.

 

Die Zahnärztekammer Nordrhein ist nicht nur bei der Überprüfung von vermuteten Behandlungsfehlern behilflich, sondern wird auch umfassend im Rahmen der Berufsaufsicht selbst tätig und prüft rechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen die gewerblichen Aligner-Anbieter. Denn nach Auffassung der Zahnärztekammer Nordrhein darf das Angebot von zahnärztlichen Leistungen in dieser Form überhaupt nicht existieren. „Wir benötigen klare gesetzliche Vorgaben auf Bundesebene, damit nicht berufsfremde Dritte Zahnheilkunde anbieten“, sagt Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, „denn Zahnheilkunde gehört nicht in einen Kiosk.“

 

Patienten sollten daher unter keinen Umständen ihre Zähne außerhalb der Verantwortung eines Zahnarztes oder Kieferorthopäden korrigieren lassen. Eine umfassende persönliche Untersuchung, Beratung und Aufklärung durch einen Zahnarzt oder Kieferorthopäden ist vor einer zahnärztlichen Behandlung zwingend notwendig. Auch regelmäßige persönliche Kontrollen während der Behandlung sind unerlässlich. Die zahnärztliche Leistungserbringung gehört insbesondere aus Gründen des Patientenschutzes ausschließlich in die Verantwortung approbierter Zahnärzte. Quelle: ZÄK-NR-Presseinformation am 9. September 2021