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Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, Praxisfinanzen, Praxismanagement
Aus eigener Kraft: Zahnärzteschaft startet gestärkt ins Jahr 2021
Finanzielle Lage der Praxen besser als befürchtet
Gastbeitrag der solvi GmbH, Autor: Christian C. Brendel,Geschäftsführer:
Seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie ist nun ein Jahr vergangen. Gelegenheit für Christian Brendel, Geschäftsführer der solvi GmbH, Bilanz zu ziehen und den Blick nach vorne zu richten. Anhand von Echtdaten von mehr als 200 teilnehmenden Praxen aus dem gesamten Bundesgebiet hat er untersucht, wie es den Zahnarztpraxen im Jahr 2020 wirtschaftlicher ergangen ist, wo die Zahnärzteschaft zum Jahresbeginn 2021 steht und was das neue Jahr mit sich bringen wird.
Zahnärztlicher Honorarumsatz auf Jahressicht nur minimal gesunken
Wie kürzlich berichtet (adp Zoom vom 28.01.2021), ist die Zahnärzteschaft beim Patientenaufkommen und der Leistungserbringung in 2020 mit einem blauen Auge davon gekommen. „Die Verluste des Frühjahres konnten im Sommer und Herbst durch ausgeweitete Öffnungszeiten, weniger Reise- und Urlaubstätigkeit und aktive Patientenkommunikation weitgehend kompensiert werden. Nach unseren Berechnungen steht unterm Strich auf Jahressicht ein leichter Rückgang der Leistungserbringung in Deutschlands Zahnarztpraxen i.H.v. durchschnittlich ca. -1%,“ erläutert Brendel basierend auf seiner Analyse von täglichen Echtdaten.
Praxisumsätze dank großem Einsatz und zeitnaher Abrechnung sehr robust
Um neben der Leistungserbringung auch die tatsächliche Entwicklung der Praxisfinanzen besser zu verstehen, wurden ferner die Finanzkennzahlen der teilnehmenden Praxen untersucht. Dabei war auffällig, dass sich die geflossenen Umsätze der Praxen phasenweisen von der Leistungsentwicklung entkoppelten, da viele Praxen im März 2020 die Abrechnung bereits erbrachter Leistungen beschleunigt hatten. „Durch zeitnahe Abrechnung konnten die Praxen den Bestand an noch nicht abgerechneten Leistungen auf Jahressicht deutlich senken und die verfügbare Praxisliquidität aufstocken.“ konstatiert Brendel basierend auf den vorliegenden Daten. Da bisher auch kein nennenswerter Anstieg der Ausfallquoten zu beobachten ist, war die Umsatzentwicklung der Praxen in 2020 etwas besser als die Leistungserbringung. Im Ergebnis dürften die Zahnarztpraxen in 2020 im Schnitt daher Umsätze auf oder leicht über Vorjahresniveau erzielt haben.
Kurzarbeit und Kostendisziplin führen zu gesunken Praxisausgaben
Zeitgleich hat die große Mehrheit der Praxen auch auf der Kostenseite schnell reagiert. Nach einem – primär durch erhöhte Hygienkosten bedingten – Kostenanstieg im März, ist es den Praxen vor allem zwischen April und Juni gelungen, die Kosten deutlich zu senken. Dies basierte primär auf der Nutzung des Kurzarbeitergeldes. Eine insgesamt erhöhte Kostendisziplin, die Bestrebung Anschaffungen zeitlich zu verschieben und die zeitnahe Absenkung diskretionärer Ausgaben haben zusammen mit den Gehaltseinsparungen durch Kurzarbeit die gestiegenen Hygienekosten auf Jahressicht überkompensiert. „In Summe sind die Praxisausgaben in Deutschlands Zahnarztpraxen auf das Gesamtjahr betrachtet daher im Schnitt gesunken.“ stellt Brendel bezüglich der Kosten zusammenfassend fest.
Zahnarztpraxen sind im Ergebnis finanziell gestärkt aus 2020 hervorgegangen
Durch die zeitweise gesunkenen Praxisausgaben bei weitgehend stabilen Umsätzen konnten viele Zahnarztpraxen 2020 im Schnitt sogar leicht höhere Einnahmenüberschüsse verbuchen. Zusätzlich hatten viele Praxen Stundungen (z.B. von Steuerzahlungen) verhandelt, Sofortauszahlung mit dem Rechenzentrum vereinbart oder zusätzliche Kreditlinien organisiert. „In Summe konnten wir empirisch beobachten, dass die Zahnarztpraxen zwischen März und Juli 2020 zusätzliche Liquiditätspolster von ca. 50.000 Euro (Median) geschaffen haben und diese auch bis heute weitgehend halten.“konstatiert Brendel. „Dies ist insbesondere deswegen beachtlich, weil es den Praxen im Jahresverlauf sogar gelungen ist, die zwischen März und Mai getätigten Stundungen und Kreditaufnahmen weitgehend zurückzuführen. Im Ergebnis hat sich die Nettofinanzposition der Praxen damit verbessert.“
Höhere finanzielle Reichweite der Praxen führt zu verbesserter Krisenresilienz
Die finanzielle Reichweite (also die Anzahl an Monaten, die eine Praxis die laufenden Kosten aus der aktuell verfügbaren Liquidität decken kann) hat sich im Schnitt von 0,9 Monaten in 2019 auf nun fast 1,8 Monate verdoppelt. „Wir plädieren schon lange für mehr Liquiditätsreserven in den Praxen und hoffen, dass viele Praxen diesen Puffer auch nach der Pandemie beibehalten werden.“ ermuntert Brendel die Praxen. „Schließlich war eine zentrale Erkenntnis des vergangenen Jahres, dass wir auf Ebene der Gesellschaft und des Individuums an vielen Stellen zu sehr "auf Kante genäht" und uns damit schlecht für Rückschläge aufgestellt haben. Mit den erhöhten Liquiditätspolstern können Zahnarztpraxen allgemeine Krisensituationen (z.B. zukünftige Pandemien) und individuelle Rückschläge (z.B. schwere Erkrankungen) deutlich besser wegstecken.“
Guter Start ins Jahr erlaubt optimistischen Ausblick
Zusammenfassend kann die Zahnärzteschaft vorsichtig optimistisch in das Restjahr blicken. Die Experten von solvi konnten in den ersten Wochen des neuen Jahres ein sehr hohes Patientenaufkommen und eine Leistungserbringung deutlich über Vorjahr beobachten. Die Entwicklung Anfang Januar dürfte zwar zum Teil auf Nachholeffekte aus der in 2020 besonders schwachen Weihnachtszeit zurückzuführen sein, aber auch im Februar und in den März hinein erweisen sich die Zahlen als sehr stabil.
In den kommenden Wochen und Monaten könnten die Patientenzahlen zwar mit der anlaufenden 3. Welle und der zunehmenden Verbreitung der mutierten Virusvarianten noch einmal leicht unter Druck geraten. „Ein Rückgang, wie wir ihn im Frühjahr 2020 beobachten konnten, dürfte jedoch ausgeschlossen sein. Für den weiteren Jahresverlauf gehen wir von sinkenden Infektions- und Todeszahlen in Folge der zunehmenden Durchimpfung der Bevölkerung aus. Entsprechend erwarten wir auch für Zahnarztpraxen eine graduelle Rückkehr zur Normalität und zu den gewohnten Patientenzahlen in allen Altersgruppen. Bei älteren Patientengruppen dürfte es nach erfolgreicher Immunisierung gar zu weiteren Nachholeffekten kommen, da diese im gesamten Jahresverlauf 2020 nie vollständig zurück in die Praxen gekehrt waren.“ Infektionsbedingte Praxisschließungen oder lokale Lockdowns können zwar jederzeit eintreten, dank der gestärkten Rücklagen dürften Deutschlands Zahnarztpraxen im Schnitt aber finanziell gut aufgestellt sein, solche Rückschläge gut zu verkraften.
Die genauen Studienergebnisse und den vollen Wortlaut finden Sie hier: https://www.solvi.de/news/.
Weitere Details zum SLIC sowie fortlaufend neue Auswertungen der Entwicklung finden sich auf www.solvi.de im Bereich „Wissen / Blog“. Quelle: solvi GmbH am 11. März 2021
Disclaimer (erweitert am 12. März 2021 um 08:30 Uhr):
Wir weisen darauf hin, dass es sich bei den vorgelegten Zahlen um eine Analyse eines Praxis-Panels handelt. Die Ergebnisse erheben daher keinen Anspruch auf Repräsentativität. Wir gehen dennoch davon aus, dass die darin zu sehenden Entwicklungen und Größenordnungen wertvolle Anhaltspunkte liefern und haben alle getätigten Aussagen in unserer eigenen Beratungspraxis und mit befreundeten Praxisberatern und Firmen validiert.