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26.11.2020 10:22 Alter: 3 yrs
Kategorie: Gesundheitspolitik

Wie SARS-CoV-2 mutiert und sich überträgt

Contact Tracing und Mutationsanalyse wichtig für Pandemie-Verständnis


 

 

Für die Bekämpfung der Coronapandemie ist das genaue Verständnis des Virus, seiner Mutationen und der Übertragungsmechanismen entscheidend. Eine neue Studie von Molekularmediziner/innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Journal Science Transnational Medicine stellt nun detaillierte Analysen zum Mutationsverhalten in Österreich vor und zeigt, dass rund 1.000 Viruspartikel bei einer Infektion übertragen werden. Bereits Ende März wurde das Projekt „Mutationsdynamik von SARS-CoV-2 in Österreich“ vom CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Wien ins Leben gerufen. Gemeinsam mit weiteren Institutionen wie der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) arbeiten die Wissenschaftler/innen daran, durch Genomsequenzierung von SARS-CoV-2-Viren ein genaueres Bild der auftretenden Virusmutationen und Virusübertragungen zu zeichnen. So gelang es bereits im Mai über 200 Virus-Genom zu sequenzieren. Unter der Leitung der ÖAW-Forscher/innen Andreas Bergthaler und Christoph Bock wurden nun 750 Proben von wichtigen SARS-CoV-2-Infektionsclustern in Österreich, etwa aus dem Tourismusort Ischgl oder der Bundeshauptstadt Wien, phylogenetisch und epidemiologisch rekonstruiert und ihre Rolle bei der transkontinentalen Virusverbreitung analysiert. Die Ergebnisse liefern auch wesentliche Hinweise zur Übertragung und der Entstehung von Mutationen des SARS-CoV-2 Virus.

 

Zusammenhänge zwischen Clustern aufgedeckt

 

Auf Basis der epidemiologische Daten konnten die Wissenschaftler/innen mithilfe von Mutationsanalysen einen SARS-CoV-2 Cluster bestehend aus 76 Fällen genau nachzeichnen und erstmals einen Zusammenhang zwischen zwei Clustern aufdecken, die bis dahin getrennt voneinander eingestuft worden waren. „Dieses konkrete Beispiel veranschaulicht, wie wichtig das Zusammenspiel von Contact Tracing und Mutationsanalyse für eine moderne Pandemie-Bekämpfung sein können“, erklärt Projektleiter Andreas Bergthaler. Dieser Einschätzung pflichtet auch Franz Allerberger, Leiter des Geschäftsfelds Öffentliche Gesundheit der AGES und Mitautor der Studie, bei: „Die modernen Techniken der Virusgenomsequenzierung stellen eine wesentliche Unterstützung für das Contact Tracing dar und liefern ein detailiertes Verständnis des Pandemiegeschehens.“

 

Entstehung von neuen Virus-Mutationen beobachtbar

 

Eine Besonderheit der Studie ist, dass eine Transmissionskette von acht aufeinander folgenden Übertragungen analysiert werden konnte. „Die Transmissionskette startete mit einem Rückkehrer aus Italien. Binnen 24 Tagen verbreitete sich das SARS-CoV-2 Virus im Großraum Wien über öffentliche und soziale Veranstaltungen in geschlossenen Räumen“, so die ÖAW-Studienautor/innen Alexandra Popa und Jakob-Wendelin Genger. Die genaue Aufschlüsselung der Transmissionskette ermöglichte den Wissenschaftler/innen, die Entstehung einer neuen Mutation von SARS-CoV-2 genau zu beobachten. Andreas Bergthaler: „Dieser im Detail rekonstruierte Infektionscluster erlaubte uns mitzuverfolgen, wie das SARS-CoV-2 Virus im Mensch mutierte und dann weiter gegeben wurde.“ Darüber hinaus beobachtete das Forschungsteam das Mutationsverhalten des Virus während des Krankheitsverlaufs in 31 Patient/innen. Dies kann zukünftig dabei helfen, abzuschätzen, ob Behandlungen die Mutationseigenschaften des Virus beeinflussen.

 

Rund 1.000 Viruspartikel werden bei Infektion übertragen

 

Die Ergebnisse der aktuellen Analysen zeigen zudem, dass infizierte Personen durchschnittlich 1.000 infektiöse Viruspartikel aufgenommen hatten. Im Verhältnis zu HIV oder auch zu Noroviren, die zum Beispiel Magen-Darm-Erkrankungen verursachen, deutet dies auf eine eher größere Virusmenge hin, die es für eine Infektion braucht. Dennoch können auch deutlich geringere Virusdosen eine Infektion auslösen. Andreas Bergthaler erklärt: „Vereinzelt fanden wir auch Infizierte, die offenbar mit deutlich weniger Viruspartikeln in Kontakt kamen und trotzdem infiziert wurden. Hier könnten andere Parameter wie die Anwendung von Schutzmaßnahmen, der Übertragungsweg oder auch das Immunsystem eine entscheidende Rolle spielen.“ Diese Ergebnisse werfen neue wichtige Fragen auf. Dazu zählt die Überlegung, dass die Verringerung der ausgestoßenen Virusladung von infizierten Personen durch kombinierte Maßnahmen wie Mund-Nasen-Schutz, physische Distanz und ausreichendem Luftaustausch in Innenräumen eine zentrale Rolle in der Prävention der Virusverbreitung hat und möglicherweise auch den Krankheitsverlauf beeinflussen kann.

 

Publikation: „Genomic epidemiology of superspreading events reveals mutational dynamics and transmission properties of SARS-CoV-2”, Alexandra Papa et al., Science Translational Medicine, 2020

 

DOI: 10.1126/scitranslmed.abe2555

 

Quelle: DeutschesGesundheitsPortal am 24. November 2020