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Rechtsprechung: Wann ist eine Prothese nutzlos?
Paradigmenwechsel bei Haftungsrecht und Honoraranspruch?
Vor dem Oberlandesgericht Köln machte eine Abrechnungsstelle aus abgetretenem Recht erfolglos ein zahnärztliches Honorar geltend (OLG Köln, Urt. v. 10.06.2020, Az. 5 U 171/19). Mit dieser Entscheidung ist das Gericht, dem Bundesgerichtshof (BGH) folgend, von der bisherigen, für Zahnärzte vorteilhaften Rechtsprechung abgewichen.
Bei der Forderung ging es u.a. um Kosten für eine Prothetik. In den letzten Jahren wurde es dem Patienten bei Kündigung des Behandlungsvertrags ganz regelmäßig entgegengehalten, wenn er die Prothetik, die er beanstandete, noch trug. Das ist nicht selten der Fall. Die Gerichte haben bereits von sich aus die klagenden Patienten häufig darauf hingewiesen.
Der Patient hat das Recht zur Kündigung mit der Folge des Fortfalls des Vergütungsanspruchs nur, soweit die fehlerhaft erbrachte Leistung infolge der Kündigung für den Patienten kein Interesse mehr hat. Voraussetzung hierfür ist, dass die zahnärztliche Leistung für den Patienten vollkommen nutzlos ist. In der Rechtsprechung wurde das bisher so ausgelegt, dass es nicht genügte, dass die Prothetik objektiv wertlos ist, wenn der Patient sie gleichwohl nutzte (BGH, Urt. v. 29.03.2011, Az. VI ZR 133/10 m.w.N.). Der BGH hat unlängst in einer Entscheidung zu der Frage, wann eine "schädliche" Nutzung von Zahnersatz vorliegt, Stellung genommen (Urt. v. 12.02.2020, Az. 5 U 43/18, bislang nicht veröffentlicht) und dabei nun eine andere Bewertung vorgenommen. Eine tatsächliche Nutzung liegt danach nicht schon dann vor, wenn ein Patient die Versorgung für einen noch kurzen Zeitraum im Mund trägt. Eine derartige Situation sei schlechthin unvermeidbar und würde darauf hinauslaufen, dass eine objektiv völlige Unbrauchbarkeit niemals den Honoraranspruch entfallen lassen könnte. Tatsächliche Nutzung liegt vielmehr dann vor, wenn der Patient die Versorgung auch tatsächlich als Versorgung nutzen will, obwohl er eine reelle und zumutbare Möglichkeit hat, sie nicht zu nutzen. Das ist nicht der Fall, wenn sie nur als Notmaßnahme zur Vermeidung eines eventuell noch größeren Übels weiterverwendet wird (BGH aaO, BGHZ 219, 298 ff., Rn. 29).
Hieran orientiert sich nun das OLG Köln und stellte in dem ihm vorliegenden Fall fest, dass von einer von einem Nutzungsinteresse getragenen Nutzung der Prothetik nicht die Rede sein könne. Die Patientin habe die Versorgung zu keinem Zeitpunkt akzeptiert. Selbst daß zwischen Eingliederung und der eingegliederten Neuversorgung zweieinhalb Jahre vergangen waren, hinderte diese Einschätzung nicht. Die Patientin habe die Neuversorgung mit der notwendigen Stringenz verfolgt und so schnell wie möglich versucht, unter gleichzeitiger Sicherung ihrer Rechte eine Neuversorgung zu erlangen. Bereits eine Woche nach der letzten Behandlung habe sie einen Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens beim Landgericht eingereicht.
Anm.: Die Anforderungen in Haftungsprozessen bei fehlerhafter Prothetik verschärfen sich, obwohl die Patienten zumeist die Prothese noch tragen. Quelle: Rechtsinformationen für Zahnärzte III.2020 der Kanzlei heller::kanter Rechtsanwälte, Gustav-Heinemann-Ufer 56, 50968 Köln, mail@heller-kanter.de, www.heller-kanter.de