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27.08.2020 16:54 Alter: 4 yrs
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, GKV-Szene, Medien & Internet

Ärzte wollen eine sinnvolle Digitalisierung

KBV: Problem ist die Umsetzung


 

 

KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel hat grundlegende Änderungen in der Digitalisierungspolitik angemahnt. „So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen. Die Ärzte sollen Geld in neue Technik investieren, die teilweise nicht da ist und für die es noch keine sinnvollen Anwendungen gibt. Und das alles bei viel zu kurzen Fristen“, sagte Kriedel. Nötig seien sinnvolle Anwendungen, realistische Zeitpläne und eine volle Kostenübernahme. „Dann wird die Akzeptanz für die Digitalisierung in der Ärzteschaft auch wieder steigen“, betonte Kriedel. Denn grundsätzlich wollten Ärzte und Psychotherapeuten digitale Anwendungen nutzen und hätten sie gerade in der Corona-Zeit als sinnvoll im Praxisalltag wahrgenommen, sagte er. Warum die Stimmung in der Ärzteschaft aktuell so schlecht sei, lasse sich leicht festmachen. „Es sind vor allem die Kosten, die unzureichende Finanzierung und der zu hohe Zeitdruck.“

 

Die Fristen seien so eng gesetzt, dass der Arzt sie kaum erfüllen könne, weil nicht alle Geräte rechtzeitig zur Verfügung stünden, kritisierte Kriedel in einem Video-Interview. Als Beispiel nannte er die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), für die Ärzte ein Konnektor-Update, einen elektronischen Heilberufeausweis und einen KIM-Dienst benötigen. „Das alles ist in der Pipeline. Aber ich bezweifle, ob das alles in allen Praxen, in allen Systemen am 1. Januar des nächsten Jahres vorhanden ist. Und das macht den Frust“, sagte er. Aufgrund der unbefriedigenden Situation sei das Bundesgesundheitsministerium damit einverstanden, die Frist zur Einführung der eAU zu verlängern, wenn beim Arzt die notwendigen technischen Geräte noch nicht zur Verfügung stünden. Allerdings müsse die KBV die Details mit dem Spitzenverband der Krankenkassen verhandeln und dieser sei bisher nur zu einer Verlängerung bis Mitte des nächsten Jahres bereit.

 

Sinnvolle Anwendungen stehen noch aus

 

Als einen weiteren Kritikpunkt führte Kriedel an, dass der versprochene Nutzen für die Praxen immer noch nicht da sei und der Arzt zunächst nur einen höheren Aufwand habe. Es müssten möglichst schnell auch sinnvolle Anwendungen kommen, die dem Arzt in der Versorgung und der Praxisorganisation Hilfestellung bieten, forderte er.

 

Leistungen müssen komplett finanziert werden

 

Die Kosten im Zusammenhang mit der Einführung der Telematikinfrastruktur (TI) sieht Kriedel als ein besonders gravierendes Problem an, das bei den Ärzten berechtigter Weise zu Frust führe. Es gebe zwar die Finanzierungsvereinbarung von KBV und Krankenkassen. Nur würden die Preise, die die Industrie aufruft, in vielen Fällen von den vereinbarten und an die Praxen ausgezahlten Beträge abweichen. Dadurch blieben eine Menge Kosten beim Arzt hängen. Die Erwartung sei zurecht, dass das bezahlt werde und zwar komplett, hob Kriedel hervor. Die KBV ist deshalb an die Krankenkassen herangetreten mit dem Ziel, die Finanzierung anzupassen. Der GKV-Spitzenverband lehnte die Forderung ab. Kriedel: „Die Verhandlungen sind gescheitert. Jetzt muss das Schiedsamt entscheiden.“

 

TI-Störung mit fatalen Forderungen

 

Zu einer Störung der TI wie in diesem Sommer dürfe es künftig nicht mehr kommen, machte Kriedel in Richtung Betreibergesellschaft gematik deutlich. Darunter würde nicht nur die Glaubwürdigkeit leiden. „Wenn in zwei Jahren vielleicht jedes Rezept über die TI laufen wird – so ist es vorgesehen nach dem Zeitplan – kann man sich vorstellen, wenn die TI dann vier bis sechs Wochen ausfällt, dass damit natürlich auch die Versorgung mehr als gefährdet ist.“

 

Forderungen an die Politik

 

  • Die Digitalisierung muss in einem Maße vorangetrieben werden, dass die Umsetzung reibungslos funktioniert und die Vorteile der Digitalisierung wirklich genutzt werden können:
  • Die Fristen für die technische Ausstattung und die Einführung digitaler Anwendungen müssen so festgelegt sein, dass sie von den Praxen eingehalten werden können. Dazu gehört auch, dass die Industrie in der Lage ist, in der vorgegebenen Zeit alle Komponenten zu liefern, die die Praxen benötigen.
  • Die Kosten müssen den Praxen komplett erstattet werden.
  • Es müssen schnell sinnvolle Anwendungen kommen, die für die Patientenversorgung hilfreich sind.

 

Quelle: KBV-„PraxisNachrichten“ am 27. August 2020