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24.07.2020 14:24 Alter: 4 yrs
Kategorie: Berufspolitik, Gesundheitspolitik, GKV-Szene, Medien & Internet, Medizinrecht, Praxismanagement

Ärzteschaft fordert Kurswechsel in der Digitalisierungspolitik

KBV und KVen: Mehrwert nicht mehr zu vermitteln


 

 

Mit einem Forderungskatalog haben sich die Vorstände der KBV und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen heute an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt und einen Kurswechsel in der Digitalisierungspolitik angemahnt. In einem offenen Brief kritisieren sie die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die von den Niedergelassenen zunehmend nicht mehr toleriert würden. Die Notwendigkeit, aber auch die Herausforderungen der Digitalisierung des Gesundheitssystems seien den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten bewusst, heißt es in dem Brief. Sie wollten eine aktive Rolle bei der Digitalisierung spielen, soweit diese einer Verbesserung der medizinischen Versorgung der Patienten diene. Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen der Ausgestaltung der Telematikinfrastuktur (TI) seien jedoch geeignet, die notwendige Akzeptanz zu verspielen.

 

Kein Mehrwert und zu kurze Fristen

 

Die Vorstände beklagen, dass den Ärzten und Psychotherapeuten der Mehrwert digitaler Anwendungen nicht mehr zu vermitteln sei. Zudem müssten die Praxen teilweise die Kosten für technisches Versagen der Systeme selbst tragen. Gleichzeitig würden sie mit Sanktionen bedroht, wenn sie nicht fristgemäß Anwendungen implementierten, die entweder noch nicht verfügbar oder technisch unausgereift seien, heißt es weiter.

 

Forderungen der KVen

 

Der Mehrwert der Digitalisierung und insbesondere der Anbindung an die TI müsse für die Niedergelassenen klar erkennbar sein, fordern die Vorstände. Vor der Einführung von technischen Systemen müsse deren Funktionsfähigkeit gewährleistet sein. Notwendig seien zudem längere Fristen für die Einführung digitaler Anwendungen. Die Zeiträume müssten so bemessen sein, dass die Umsetzung machbar sei. Die Kosten der Anbindung an die TI sowie alle Folgekosten müssten angemessen finanziert werden. Dies gelte ebenso für die Aufwände, die infolge der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen IT-Sicherheitsrichtlinie den Praxen entstünden (alle Forderungen s.u.). Die Vorstände weisen in dem Schreiben ferner darauf hin, mit welchem hohen personellen und zeitlichen Einsatz die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten derzeit in die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie eingebunden seien. „Die parallele Umsetzung der TI-Vorgaben ohne Berücksichtigung der aktuellen angespannten Lage in der ambulanten medizinischen Versorgung wird durch unsere Mitglieder nicht akzeptiert werden.“

 

Unterstützende digitale Vernetzung

 

Mit der Umsetzung der aufgestellten Forderungen werde eine für die Versorgung der Patienten und für die Praxistätigkeit unterstützende digitale Vernetzung aller Beteiligten im Gesundheitswesen möglich sein. So könne auch der vom Minister benannte „erste Schutzwall gegen den Virus“ weiter aufrechterhalten werden.

 

Forderungen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten (aus dem Brief):

 

  1. Der Mehrwert der Digitalisierung und insbesondere der Anbindung an die TI muss für die Niedergelassenen klar erkennbar sein. Neue digitale Anwendungen müssen sich auf die originären Aufgaben der Vertragsärzte beschränken.
  2. Vor der Einführung von Systemen der Digitalisierung muss deren Funktionsfähigkeit gewährleistet sein. Zudem ist sicherzustellen, dass es ein dauerhaftes Ersatzverfahren gibt.
  3. Die Zeiträume für die Einführung digitaler Anwendungen müssen angemessen im Hinblick auf Plausibilität und Machbarkeit sein. Bestehende Fristen zur Umsetzung müssen erheblich verlängert werden, um entsprechende Übergänge und Anpassungen bis zur Funktionsfähigkeit sicher zu ermöglichen.
  4. Die Androhung von Sanktionen bei nicht fristgemäßer Implementierung erzeugt unnötige Widerstände und ist daher kontraproduktiv.
  5. Die Kosten der Anbindung an die TI sowie alle Folgekosten müssen angemessen finanziert werden. Dies betrifft auch die Kosten aufgrund der dringend notwendigen und längst überfälligen Datenschutzfolgeabschätzung.
  6. Dem KV-System muss die Möglichkeit gegeben werden, endlich industrieunabhängig eigene Lösungen für den PVS/TI-Bereich in den Vertragsarztpraxen zu entwickeln und den Mitgliedern der KVen zur Verfügung zu stellen.
  7. Bei der Ausgestaltung der IT-Sicherheitsrichtlinie nach § 75 Absatz 5 SGB V muss sichergestellt sein, dass die technischen Anforderungen sinnvoll und tragbar für die Praxen der Niedergelassenen sind. Statt des „Einvernehmens“ muss nur noch das „Benehmen“ mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hergestellt werden. Die vollständige Finanzierung der damit verbundenen Kosten für die Praxen muss vorab abschließend geklärt sein.

 

Quelle: KBV-„PraxisNachrichten“ am 24. Juli 2020