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< COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz: Zahnärzte außen vor
26.03.2020 14:14 Alter: 4 yrs
Kategorie: Gesundheitspolitik, Praxisfinanzen, Praxismanagement, Zahnheilkunde

ZÄK-NR: Brief an alle Zahnärztinnen und Zahnärzte in Nordrhein

„Wir nehmen Ihre Sorgen, Bedürfnisse und Forderungen ernst“


 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

unfassbare Tage haben wir hinter uns, unfassbare Tage, die wir alle in dieser Form noch nie erlebt haben. Am Sonntag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder tatsächlich über Ausgangssperren beraten – eine Maßnahme, die man bis vor ein paar Tagen nur aus Bürgerkriegsgegenden in Übersee kannte. Was heute gilt, ist morgen schon wieder überholt. Wie lange soll das weitergehen, wann ist damit Schluss? Diese Frage kann momentan niemand beantworten! Für uns alle ist dies eine sehr bedrückende und immer noch nicht in all ihren Facetten vorstellbare, aber inzwischen real gewordene Krisensituation. Wir wünschen uns, nur in einem Albtraum zu sein und bald daraus wieder zu erwachen. Zur Angst um die Gesundheit unserer Familien, unserer Freunde, Mitarbeiter und Patienten, aber auch um die eigene Gesundheit kommen betriebswirtschaftliche Existenzängste hinzu.

 

Uns erreichen täglich eine Menge von besorgten Briefen, E-Mails und Telefonanrufen. Wir teilen Ihre Sorgen und nehmen uns Ihre Wünsche zu Herzen. Wir arbeiten jeden Tag in unseren eigenen Praxen und stellen uns oft dieselben Fragen. Jeder Bürger und jede Bürgerin kann in Deutschland darauf vertrauen, dass eine medizinisch notwendige Behandlung durchgeführt wird – eine Errungenschaft unserer Gesellschaft. Dazu gehört in Deutschland auch jede notwendige zahnmedizinische Behandlung, und dies ist selbst im heutigen Europa keine Selbstverständlichkeit. Wir lassen unsere Patienten nicht allein! Das haben wir bislang nicht getan und dies dürfen wir auch in diesen Zeiten nicht tun! Es gibt in Deutschland circa 160 Kliniken mit zahnärztlichem Bezug, und diese werden nicht im Ansatz die zahnmedizinische Versorgung von etwa 70.000 in der vertragszahnärztlichen Versorgung tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzten sicherstellen können.

 

Grundsätzlich sind Vertragszahnärzte, mit Ausnahme der Wahrnehmung ihrer vertragsärztlichen Pflichten, in ihrer Praxisorganisation frei und können planbare Behandlungen verschieben. Sie als Zahnärztin oder Zahnarzt können eigenverantwortlich gemäß Ihrer Risikoabschätzung für Ihre Mitarbeiter/-innen und sich selbst, nach bestem ärztlichem Wissen und Gewissen, über die Durchführung von Behandlungen entscheiden und zum Beispiel derzeit nicht notwendige Behandlungen für eine Weile zurückstellen. Ein jeder muss Verständnis für einen zu einer Risikogruppe zählenden Praxisinhaber haben, der seine Praxis vorrübergehend schließt und die Nachbarkollegen um Vertretung bittet. Auch wenn dies vielfach gefordert wurde: Die Schließung von Zahnarztpraxen ist – abgesehen von einer behördlichen Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz – nicht durch die Zahnärztekammer möglich. Wir können aber keinesfalls die behördliche Schließung aller Zahnarztpraxen in Nordrhein vorantreiben und uns dann zeitgleich noch für eine finanzielle Entschädigung für diese Schließungen stark machen. Das wäre in höchstem Maße unethisch und schwer vertretbar gegenüber unseren niedergelassenen ärztlichen Kollegen, Ärzten und Pflegern in Krankenhäusern, Senioren- und Pflegeinrichtungen und allen Menschen, die momentan unter hohem persönlichem Einsatz und mit den gleichen Sorgen und Bedenken wie wir ihre Arbeit im Gesundheits- und Sozialwesen fortführen! Sie können jedoch sicher sein, dass wir momentan auf breiter Front für schnelle, unbürokratische Hilfe für Praxen in finanzieller Not kämpfen.

 

Unter den (Landes-)Zahnärztekammern und KZVen haben wir uns darauf verständigt, dass wir dies nur gemeinsam und mit vereinter Anstrengung schaffen können. Die Federführung aller Aktivitäten liegt auf der Bundesebene bei der KZBV in enger Abstimmung mit der BZÄK. Sie und wir sind mit Hochdruck damit beschäftigt, für die Zahnärztinnen und Zahnärzte die notwendige und knapp gewordene Schutzausrüstung zu beschaffen. Dazu zählen Mund-Nasen-Schutz, FFP-Masken und Desinfektionsmittel. Erste Erfolge konnten Anfang der Woche verzeichnet werden. Weitere werden hoffentlich folgen. Auf Bundesebene sind dazu einige Punkte mit dem Bundesgesundheitsministerium besprochen und geklärt worden. Hier eine Übersicht in aller Kürze:

 

  • Die Notfallversorgung von infizierten und unter Quarantäne stehenden Personen soll nach Plänen von der KZBV und von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn über explizit benannte Kliniken als Behandlungszentren organisiert werden. Wir gehen davon aus, dass dies in NRW im Laufe dieser Woche der Fall sein wird und die Universitätszahnkliniken, Kliniken mit einer MKG-Abteilung sowie Kliniken mit einem zahnmedizinischen Fachbereich von der Landesregierung entsprechend informiert werden.
  • Mit dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) wurde von der KZBV eine befristete Vereinbarung über die Ausstattung von Vertragszahnärzten mit Schutzausrüstung für unaufschiebbare zahnärztliche Behandlungen von Versicherten beschlossen, die von einer Infektion mit dem Coronavirus betroffen sind oder bei denen der Verdacht hierfür besteht.
  • Es werden Maßnahmen zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Praxen besprochen. Die finanzielle Absicherung der Krankenhäuser, die sich um Covid-19 Patienten, aber auch um alle anderen Patienten kümmern, hat im Moment Vorrang. Finanzierungshilfen für Praxen werden analog zu den Vereinbarungen für Ärzte, Krankenhäuser und Pflege durch die KZBV gefordert und mit dem Bundesgesundheitsminister diskutiert. Darüber hinaus steht die KZBV mit dem GKV-SV über die Möglichkeiten der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Praxen in intensiven Gesprächen. Die KZV Nordrhein verhandelt mit den gesetzlichen Krankenkassen derzeit über finanzielle Hilfeleistungen in dieser für viele Praxen existenzbedrohenden Zeit. Zusätzlich können Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber von den bereits bekannten Möglichkeiten des Kurzarbeitergeldes Gebrauch machen.

 

Dieses Virus wird uns noch lange begleiten. Wer jetzt bei noch verhältnismäßig geringen Infektionszahlen seine Praxis schließen möchte, muss sich auf der anderen Seite auch bewusst sein, dass diese Zahlen im Laufe der nächsten Monate wahrscheinlich noch weiter steigen werden. Die Gefahr durch infizierte, aber symptomlose Patienten in der Zahnarztpraxis wird uns noch viele Monate über das Jahr hinweg begleiten. Seien Sie sich aber bewusst: Die Anstrengungen der letzten Jahrzehnte, den Hygienestandard in den Zahnarztpraxen in Deutschland zu erhöhen, tragen genau jetzt ihre Früchte. Es gibt kaum einen Berufsstand, der nach jedem Patienten Flächendesinfektion nutzt, konsequent mit Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrille arbeitet und gegenüber Infektionskrankheiten so gut aufgestellt ist wie wir. Eine weitere wichtige Hilfestellung geben Ihnen die auf Grundlage der jüngsten RKI-Empfehlung zu Aerosolen erstellten Hinweise „Empfehlung zur Vermeidung von Aerosolen in Zahnarztpraxen“ auf unserer Homepage (https://www.zahnaerztekammernordrhein.de/fuer-die-praxis-beruf-wissen/corona/). Führen Sie bitte wie empfohlen regelmäßig eine Covid-19 Anamnese in den Praxen durch (Befragung nach Symptomen und Aufenthaltsort in den letzten zwei bis drei Wochen). Hierdurch können die Ihre Praxis aufsuchenden, vermeintlich hochinfektiösen, symptomhaften Patienten ermittelt und in Kürze für eine zahnmedizinische Behandlung an die explizit benannten Kliniken als Behandlungszentren von Covid-19 Patienten überwiesen werden. Derzeit berät das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW) über unseren Vorschlag, stärker infektionsgefährdete ambulant tätige medizinische Berufsgruppen, wie Zahnärzte, Kinderärzte und HNO-Ärzte, bei der Verteilung von dringend benötigter Schutzausrüstung über das Land NRW zu priorisieren. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Zahnärztekammer haben wir vorsorglich, für einen möglichen Quarantänefall, Vorbereitungen getroffen, indem für die zentral wichtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet wurden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind daher wie gewohnt für Sie erreichbar und arbeiten auch in dieser schwierigen Situation mit größtem Einsatz. Auch die Verwaltung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben größtes Verständnis für die Sorgen, Nöte und Ängste sowie zum Teil sehr emotionale Anfragen, die tagtäglich von Zahnärztinnen und Zahnärzten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Patientinnen und Patienten an sie gerichtet werden. Aber auch in dieser für uns alle unfassbaren Krise sind Beschimpfungen und Beleidigungen nicht akzeptabel.

 

Zu guter Letzt: Wir Standespolitiker der (Landes-)Zahnärztekammern und der KZVen haben in den vergangenen Tagen viel Schelte bekommen. Uns wird Untätigkeit vorgeworfen und kein Ohr für die Kollegen vor Ort zu haben. Wir können damit umgehen! Wir nehmen Ihre Sorgen, Bedürfnisse und Forderungen ernst und es ist unsere Aufgabe, dies in die Politik weiterzutragen und für Sie zu verhandeln. Und genau daran arbeiten wir auch seit Tagen ununterbrochen.

 

Einen ganz besonderen persönlichen Dank möchten wir in diesem Zusammenhang an den Vorstand der KZBV und allen voran Dr. Wolfgang Eßer, an den Vorstand der BZÄK und ihren Präsidenten Dr. Peter Engel und an den Vorstand der KZV Nordrhein mit seinem Vorsitzenden Ralf Wagner richten. Wir wissen aus nächster Nähe, wie unermüdlich, rund um die Uhr im Schulterschluss intensiv gearbeitet wird, um Ihnen und uns allen in unseren Praxen zu helfen, die Gesundheit unserer Patienten und Mitarbeiter zu schützen und die Existenz der Praxen in dieser schwierigen Zeit möglichst zu erhalten. Dieser persönliche Brief von uns, Ralf Hausweiler und Thomas Heil, an Sie wird Ihnen mit der ergänzenden Bitte um Mitteilung Ihrer aktuellen E-Mail-Adresse zugesandt. Wir wollen Sie zusätzlich über den E-Mail-Versand schnell informiert halten. Die Homepage wird mehrmals am Tag aktualisiert. Wir bitten Sie, sich über die sich ständig ändernde Meldungslage regelmäßig hier auf dem aktuellen Stand zu halten. Selbstverständlich stellen wir auch die vertragszahnärztliche Versorgung betreffende Informationen von KZBV und KZV Nordrhein ein, um Sie zu allen Neuerungen im Zusammenhang mit der Berufsausübung und finanziellen Hilfestellungen zu unterrichten. Wir alle würden lieber wie gewohnt zusammenleben und arbeiten, ohne Sorge vor einer Ansteckung und um die besonders gefährdeten Mitmenschen. Aber wir müssen verantwortungsvoll mit dieser Krise umgehen. Und wir müssen uns und unseren Mitmenschen gegenüber Solidarität und Anstand zeigen. Wir alle stellen eine unverzichtbare Größe in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung dar. In diesem Zusammenhang möchten wir uns für Ihre unermüdliche Arbeit auch unter extrem schwierigen Umständen bedanken und hoffen sehr, dass wir alle, Patientinnen und Patienten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Zahnärztinnen und Zahnärzte diese Krise unbeschadet überstehen. Hoffentlich bis bald, bleiben Sie gesund!

 

Mit herzlichen kollegialen Grüßen: Dr. Ralf Hausweiler (Präsident der ZÄK-NR) und Dr. Thomas Heil (Vizepräsident der ZÄK-NR)